Mitten in Coburg:Eine Stadt wirft sich in den Staub

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Der Unternehmer Stoschek lehnt die Ehrenbürgerwürde ab, weil er dafür noch zu jung sei

Von Olaf Przybilla

Der Stadtrat von Coburg könnte nach all den Jahren, nach all den Volten und Verwerfungen in der Causa Michael Stoschek zum Ergebnis kommen: Wir lassen es jetzt mal. Wir verhalten uns still, es ist genug Porzellan zerborsten, vielleicht ist es das Beste, wenn einfach mal Ruhe ist. In der Stadthistorie dürfte es wenige Themen geben, die Coburg so häufig und grell und seltsam ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt haben, wie das Leben und Wirken des prominentesten Unternehmers der Stadt. Der Stadtrat aber will es anders.

Er hat sich nun beehrt, Stoschek "aufgrund seiner Verdienste" und "vielfältigen Engagements für seine Geburtsstadt" mit der höchsten Ehrung zu würdigen, die der Stadtrat zu vergeben hat: der Ehrenbürgerwürde. Und Stoschek, der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung beim Automobilzulieferer Brose? Er wäre nicht Stoschek, hätte er die Gelegenheit verpasst, der bunten Phalanx von "Das-gab's-noch-nie"-Geschichten eine weitere hinzuzufügen.

Stoschek will nicht Ehrenbürger werden. Jedenfalls jetzt noch nicht. "Frühere mit dieser Ehrung ausgezeichnete Unternehmer waren älter als ich", hat er den Oberbürgermeister wissen lassen.

Dafür darf man durchaus Sympathie empfinden. Ein Mann signalisiert den in gebeugter Haltung sich annähernden Kommunalpolitikern: Freunde, jetzt bitte noch nicht! Andere habt ihr doch auch in Ruhe gelassen, solange sie noch 69 Jahre alt waren! Das ist mal eine Geste.

Bleibt die Frage, was die Stadträte eigentlich antreibt. Als sie sich vor drei Jahren anschickten, den Großvater Stoscheks, das NSDAP-Mitglied Max Brose, mit einem Straßennamen zu ehren, hagelte es Kritik von Historikern, von der evangelischen Kirche, vom Zentralrat der Juden. Der Stadtrat machte es 2015 trotzdem, wohl um Stoschek einen Gefallen zu tun. Eine anrüchigere Unterwerfung unter den wahrgenommenen Willen eines Unternehmers (und pekuniären Wohltäters einer Stadt) hat es in Bayern nicht gegeben in den letzten Jahren.

Und so darf man Stoschek Respekt zollen. Die Ehrenbürgerwürde vorerst abzulehnen, keine drei Jahre nach diesem Fanal der Lokalpolitik, verdient Anerkennung. Auch wenn der Unternehmer seine Ablehnung anders begründet hat.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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