Mitten in Bayern:Zeit-Zeug aus der Pandemie

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Das Virus ist reif fürs Museum. Dann sollte es doch auch bald Geschichte sein

Kolumne von Matthias Köpf

Wenn etwas erst einmal in einem historischen Museum landet, scheint es damit praktisch vorbei zu sein. So gesehen ist das Mühldorfer Kreismuseum, das ganz korrekt "Geschichtszentrum und Museum Mühldorf a. Inn" heißt, gerade recht zukunftsweisend unterwegs. Ein Paar Einmalhandschuhe, einen - von wem auch immer - selbst genähten Mundschutz und ein Fläschchen mit desinfizierendem Handgel der Duftnote "Kamille&Lotus" haben sie dort schon im Depot, wie dem Bildmaterial zu ihrem aktuellen Aufruf zu entnehmen ist. Aber das reicht natürlich nicht, um damit Geschichte zu machen.

Also sollen es die Mühldorfer nicht mehr bei bloßer Zeitgenossenschaft belassen, sondern schon jetzt zu künftigen Zeitzeugen werden, indem sie dem Kreismuseum Objekte aus ihrem Corona-Alltag übergeben. Ins kulturelle Gedächtnis des Landkreises soll die Coronakrise demnach nicht nur irgendwie als Ganzes eingehen, sondern eben auch mit Kamille&Lotus-Note oder in Form von Fotos und Kinderzeichnungen. Das birgt für das Museum natürlich gewisse Risiken. Denn die ganzen Fotos mögen ja im Internet schon sehr gut aufgehoben sein, aber das mit den Kinderzeichnungen kann schnell selber pandemische Ausmaße annehmen, zumal unter quarantänigen Bedingungen. All diese Werke ins Altpapier zu werfen, fällt vielen Eltern erfahrungsgemäß schwer. Warum also die eigene Sammlung nicht ins Kreismuseum auslagern? Natürlich nur, wenn dort konservatorisch angemessene Bedingungen herrschen. Anderenorts, etwa im nahen Erding, verzeichnen die lokalen Museen jedenfalls schon viele solcher Vermächtnisse, was den Mühldorfern nicht nur eine Ermutigung sein könnte, sondern auch eine Warnung, dass da etwas auf sie zurollt, was noch viel gewaltiger ist als ein Riesenbündel Aiwanger-Vlies für die Masken.

Solche Masken und alle anderen Pandemieobjekte will das Museum übrigens erst haben, wenn sie draußen nicht mehr gebraucht werden. Vermutlich müssen sie dann länger eingelagert werden, denn das ganze Zeug wird wohl so schnell keiner mehr sehen wollen. Ein Schild, dass wegen Corona geschlossen ist, haben sie im Museum sicher selber. Wenn es mit der Ausstellung mal so weit ist, sollten sie es nicht gleich am Eingang aufhängen.

© SZ vom 04.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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