Mitten in Bayern:Wir zahlen Ihre Strafzettel

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Ein Geschäftsinhaber in Lindau hatte eine Idee, die eine Spur zu kundenfreundlich war

Von Stefan Mayr

Jetzt mal nur mit der Brille des schwäbischen Schnäppchenjägers betrachtet: Das war echt keine schlechte Idee. Ein Geschäftsmann aus Lindau hat seinen "treuen Kunden" in einem Brief "ein tolles Angebot" gemacht. Er schlug vor, man könne vormittags gerne im Parkverbot direkt vor seinem Laden parken und müsse sich während des Einkaufs keinerlei Gedanken um die Politessen machen. "Den Strafzettel übernehmen wir für Sie", schrieb der Laden-Inhaber. Spricht da angesichts solch einer Aktion noch jemand von der "Servicewüste Bayern"? Wenn ja, dann müsste man die Lindauer Bodensee-Insel wohl zur Oase der Kundenfreundlichkeit ausrufen.

Der Vater dieser Idee betreibt ein Brillen-Geschäft. Man könnte sein Angebot als Entgegenkommen für Sehgeschädigte interpretieren, die einfach Probleme haben mit dem Lesen von Parkverbotsschildern und Parkscheinautomatenbedienungsanleitungen. Allerdings hat die großzügige Offerte einen ganz anderen Hintergrund: Das Parkplatzangebot auf der Lindauer Insel ist schon seit der Erfindung des Automobils stets angespannt. Dieses Problem wird derzeit durch mehrere Faktoren potenziert. Erstens ist Urlaubs-Hauptsaison, da verstopfen noch mehr Touristen mit ihren Gefährten die ohnehin schon engen Gassen der Insel. Zweitens wird gerade die Inselhalle umgebaut, ihr Großparkplatz ist eine Großbaustelle.

Deshalb ergänzte der Optiker sein Strafzettel-Erledigungsangebot gleich mit einem "Baustellen-Rabatt" für seine Brillen in Höhe von 25 Prozent. Dieser ging allerdings irgendwie total unter. Denn bei Polizei und Stadt kam die unbürokratische Amtshilfe des Brillenhändlers weniger gut an. "Dieses Angebot ist alles andere als glücklich", stellt ein Polizeisprecher fest. Man kontrolliere auf der Insel nun besonders genau den stehenden Verkehr, heißt es aus dem Polizeipräsidium Schwaben-Süd. Nicht, dass der Strafzettel-Kundendienst noch Schule macht. Eine Nachahmung ist sowieso nicht zu empfehlen, es droht eine Geldbuße wegen Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit. Gegen den findigen Optiker von Lindau wird allerdings nicht ermittelt. Er hat sein Angebot - zum Leidwesen der Kunden - inzwischen zurückgezogen.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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