Mitten in Bayern:Verstärkte Pferdestärken

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Es ist ein schweißtreibendes Geschäft, die Touristen hinauf zum Schloss Neuschwanstein zu befördern. Für die Kutschenpferde vor allem. Deswegen bekommen die nun Unterstützung von einem Extra-Antrieb. Der Kini hätte vermutlich seine helle Freude. Am Fortschritt, nicht an den Touristen

Kolumne von Florian Fuchs

Physikalisch betrachtet ist die Sache kompliziert: Ein Pferd kann je nach Rasse und Fitnesszustand durchaus mehr als eine Pferdestärke haben. Rennpferde, also die getunten Modelle, leisten für kurze Zeit sogar ein Vielfaches. Die Einheit Pferdestärke ist somit, was Pferde anbelangt, mit Vorsicht zu betrachten. Überhaupt ist sie ein bisschen aus der Mode gekommen, seit James Watt sie vor mehr als 200 Jahren erfunden hat. Er wollte, so heißt es, damit die Leistungsstärke seiner neuen Dampfmaschine veranschaulichen.

Wie nun die Maßeinheit Pferdestärke auf die Leistung von Pferdekutschen anzuwenden ist, die nicht mehr nur von Tieren, sondern auch von einem Elektromotor bewegt werden, können nur Physiker beantworten, die zugleich Pferdenarren sind. Die technische Revolution jedenfalls, so hat es zuerst der Bayerische Rundfunk vermeldet, ist eingezogen im Ostallgäu: Die Kutschen, die früher vorwiegend Asiaten und seit Neuestem vorwiegend Einheimische auf Heimaturlaub zum Schloss rauf ziehen, sind nun ausnahmslos mit Motor ausgestattet. Das hat den Vorteil, dass die Pferde nicht mehr rund 700 Kilogramm ziehen müssen. Eine Software ist so eingerichtet, dass der Motor exakt so viel anschiebt, dass die Pferde kontinuierlich 80 Kilogramm den Berg hinauf befördern. Für die Pferde ist das nun auch so etwas wie Heimaturlaub, es kann nicht mehr lange dauern, da müssen die Besitzer ihre Tiere abends nach der Arbeit noch stundenlang ausreiten, damit sie überhaupt ausgelastet sind. Das wiederum dürfen dann aber die Tierschützer nicht mitbekommen, deretwegen der ganze Aufwand überhaupt betrieben wird: 100 000 Euro hat die Umrüstung nur einer Kutsche gekostet, damit die Pferde ein schöneres Leben haben und sich künftig niemand mehr beschweren kann.

Ludwig II. wäre schon stolz auf die Nachfahren seiner Kutscher, zu seiner Zeit war die batteriebetriebene Lampe für nächtliche Ausfahrten das technische High-End-Produkt im Kutschensegment. Er würde aber wahrscheinlich trotzdem das königliche Haupt schütteln, war er der Technik seiner Zeit doch immer einen Schritt voraus, ähnlich wie der heutige Regent des Freistaats: Im Jahr 2020 fliegt ein König Flugtaxi.

© SZ vom 13.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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