Mitten in Bayern:Liebeshafen Schneizlreuth

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Seeleuten wird ja gerne nachgesagt, in jedem Hafen eine andere Liebschaft zu haben. Nun gibt es in Bayern mangels Meer nicht besonders viele Seeleute, aber auch über Lasterfahrer gibt es ähnliche These. Das mag den Gemeinderat von Schneizlreuth bewogen haben, Überlegungen wegen der roten Beleuchtung des Bauhofs anzustellen

Kolumne von Johann Osel

Der Zunft der Seemänner wird gern nachgesagt, mit jedem Landgang die Liebschaft zu wechseln. Dokumentiert ist das in deftigem Liedgut, Zeilen wie: "In jedem Hafen eine, ist besser als keine. Eine Braut in Havanna, sie hieß Anna, die andere auf Jamaika, nannte ich Mareika." Auf Bayern ist das freilich nicht übertragbar, schon wegen des fehlenden Meerzugangs und der überschaubaren Zahl von Seeleuten; und etwa den Chiemseefischern will man derlei liederliches Verhalten nicht unterstellen, zumal hier ein Heimathafen die Fraueninsel samt Abtei der Benediktinerinnen ist. Vielleicht nehmen in Bayern, dem Wirtschafts- und Transitland, Lastwagenfahrer diese Rolle ein - Helden des Asphalts, die um keinen Flirt an der Raststätte verlegen sind und hinter fast jeder Ausfahrt amouröse Kontakte pflegen. Oder, bei mangelnder Gegenliebe, dem Gewerbe der käuflichen Lust nicht abgeneigt sind. So zumindest lautet ein Klischee des Lkw-Fahrers. Was es konkret damit auf sich hat, müsste man wissenschaftlich prüfen. Dass das Klischee im Alltag präsent ist, zeigt sich aber immer wieder, so nun in Schneizlreuth im schönen Berchtesgadener Land.

Eine amüsante Diskussion hat sich unlängst in der Gemeinderatssitzung entwickelt, wie das Reichenhaller Tagblatt berichtet. Es geht um den Bauhof, aus dem in der Nacht durch alle Fenster und Einfahrtstore ein intensiv rotes und weithin sichtbares Licht leuchtet. Die Bedenken, die vorgetragen wurden, womöglich nur halb ernst: Vorbeifahrende auf der Bundesstraße 21 könnten die Signale missverstehen und glauben, ein Landbordell offeriere Wollüstigkeiten. Wenngleich nicht direkt angesprochen - Ortskundige wissen, wer auf der B 21 häufig unterwegs ist (wovon übrigens Anwohner wenig begeistert sind): Lkw-Fahrer.

Der Bauamtsleiter musste sich laut dem Bericht erst mal erklären: Die Heizstrahler bei niedrigen Temperaturen habe der Gemeinderat selbst beschlossen; und dadurch entstehe eben nachts das dunkelrote Strahlen. Von Fahrern, die den Bauhof tatsächlich für ein Freudenhaus hielten, wurde gleichwohl nichts berichtet. In Schneizlreuth mit seinen gut 1300 Einwohnern dürfte ein solches ohnehin nicht eröffnen. Laut Gesetz ist das in Bayern in Kommunen mit weniger als 30 000 Einwohnern strikt verboten.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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