Mitten in Bayern:Kommunalpolitik nach Stechuhr

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Politiker sind ja irgendwie immer in der Arbeit. Schließlich denken sie rund um die Uhr an ihre Bürger und sind zu deren Wohl Tag und Nacht unterwegs. Trotzdem denkt man im Altöttinger Kreistag nun darüber nach, eine zeitliche Kontrolle einzuführen

Kolumne von Matthias Köpf

Die Politik kann eine zeitraubende Sache sein, und zwar auch die Lokalpolitik, die zudem oft ehrenamtlich gemacht wird. Da könnte es schon seltsam wirken, wenn im Sitzungssaal des Altöttinger Landratsamts bald eine Stechuhr installiert würde oder, wie es ein FDP-Kreisrat nun vorgeschlagen hat, eine elektronische Zeiterfassung. Nicht für die Mitarbeiter im Amt wohlgemerkt, sondern für die Kreisräte selber. Dabei herrscht in der Politik doch Vertrauensarbeitszeit, und die führt ja meistens dazu, dass diejenigen, denen da dauernd das Vertrauen geschenkt wird, noch viel mehr arbeiten, als sie das unter kontrollierten Bedingungen jemals täten.

Übrigens sitzen im Altöttinger Kreistag auch Profis wie Stephan Mayer von der CSU. Der Parlamentarische Staatssekretär könnte daheim im Kreistag aus dem Bundestag berichten. Dort herrscht in Sitzungswochen Anwesenheitspflicht im Haus. Die Präsenz ist per Eintrag auf der Anwesenheitsliste nachzuweisen. Pro versäumter Plenarsitzung werden den Parlamentariern 200 Euro abgezogen, entschuldigtes Fernbleiben kostet die Hälfte, jeweils zugunsten des Bundeshaushalts, also für einen guten Zweck.

Andererseits darf sich speziell Mayer mit derlei Berichten aus Berlin nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Schließlich hat er dort droben erst vor ein paar Monaten erklären müssen, wie er sich in die Anwesenheitsliste für einen um 9 Uhr beginnenden Sitzungstag eintragen konnte, um dann spätestens um 9.13 Uhr bei der Eröffnung einer Gedenkstätte nahe Mühldorf zu erscheinen. Zusammengefasst lautete seine Erklärung damals, er habe schon in aller Herrgottsfrühe in seinem Berliner Bundestagsbüro gearbeitet und sich beizeiten nach Bayern aufgemacht.

Angesichts all dessen interpretierte Mayer den Antrag auf Zeiterfassung im Kreistag zielsicher als Stichelei. Weil das folgende Stechuhr-Scharmützel die Sitzung in die Länge zog, wäre für alle Kreisräte ein höheres Sitzungsgeld fällig geworden, wie irgendwann einer anmerkte. Doch im Kreistag nimmt man es mit der Zeit und dem Geld auch nicht so genau: Die zusammen 825 Euro sollen stattdessen gespendet werden, für die korrekte Buchhaltung wird das offizielle Sitzungsende nachträglich vorverlegt. Und in Zukunft gibt es eine Anwesenheitsliste.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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