Mitten in Bayern:Die Gedanken der Genossen

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Die SPD hat eine Weile gebraucht, um sich eine Meinung zu bilden, wie sie nun zur Abschiebung aus Schulen steht. Geht gar nicht? Geht manchmal? Jetzt soll es wieder gar nicht gehen und bis auf Weiteres will man dabei bleiben

Von Lisa Schnell

Heinrich von Kleist hat 1805 einen Aufsatz geschrieben "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden". Wie das praktisch funktioniert, demonstrierte nun SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher.

Er wurde nach der Position der SPD zu Abschiebungen aus Schulen gefragt, wie sich gerade eine in Nürnberg samt einem umstrittenen Polizeieinsatz ereignete. "Das sollte die absolute Ausnahme sein", sagte er. Die Ausnahme? Gibt es also Situationen, in denen die SPD so eine Abschiebung gut heißt? So wurde Rinderspacher gefragt und in die wunderbare Lage versetzt, wie sie Kleist einem jeden anempfiehlt, der in seinen Gedanken schwankt: "So rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen." Und siehe da, im Gespräch verfertigten sich Rinderspachers Gedanken in eine andere Richtung: "Ich nehme die Einschränkung weg. Aus der Schule darf nicht abgeschoben werden."

Wer Rinderspacher nun anlasten will, die Linie seiner Partei nicht klar benennen zu können, der tut ihm unrecht. Ist diese doch nur schwer zu erkennen. So teilt die Partei an einem Tage mit: Die Bilder von Polizisten, die sich mit Pfefferspray den Weg durch die Demonstranten bahnen, seien verstörend. So ein Einsatz dürfe sich nicht wiederholen. Und an einem anderen Tage verlautet es in einer Mitteilung von SPD-Innenpolitiker Paul Wengert: Im Ausnahmefall sei eine Abschiebung aus dem Klassenzimmer doch möglich. Den Polizeieinsatz beurteilte Wengert als besonnen. Den passiven Widerstand der Schüler, die sich gegen die Abschiebung ihres Mitschülers einsetzen, als "noch akzeptabel", wenn auch nicht besonders mutig. Was sie da aus ihrer eigenen Partei hörten, konnten viele Genossen nicht verstehen. Ob sie sich an Kleist erinnerten, ist nicht bekannt, doch sie folgten seinen Worten: Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, dann rate ich dir, darüber zu sprechen. Das taten sie bei der SPD. Sie sprachen lange und mit hitzigem Gemüt, doch am Ende verfertigten sich ihre Gedanken zu dem Satz in einer neuen Pressemitteilung: "Die SPD ist grundsätzlich gegen die Abschiebung aus der Schule heraus". Dabei soll es jetzt eigentlich bleiben.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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