Energiewende:Mehringer lehnen Windräder auf ihrem Gemeindegebiet ab

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Am Horizont bei Mehring ragen schon jetzt die Schlote der Chemieindustrie auf. Windräder will eine Mehrzahl der Menschen dort nicht auch noch sehen müssen. (Foto: Catherina Hess)

Der Ministerpräsident und sein Stellvertreter wollten auch bei den Mehringern einen der größten Windparks Bayerns bauen. Die sind allerdings dagegen, wie ein Bürgerentscheid nun zeigt.

Die Bürgerinnen und Bürger in Mehring im Landkreis Altötting haben sich mit großer Mehrheit gegen Windkraftanlagen auf ihrem Gemeindegebiet ausgesprochen. Sowohl in einem Ratsentscheid als auch in einem Bürgerentscheid lehnten sie die Pläne ab, wie Bürgermeister Robert Buchner (Freie Wähler) am Sonntagabend auf Anfrage mitteilte.

Im Altöttinger Forst soll Bayerns größter Windpark entstehen. Mit einer Gesamtleistung von 288 Megawatt soll er auch das bayerische Chemie-Dreieck mit Strom versorgen. Auf Mehringer Gebiet sollten nach bisherigen Plänen zehn von rund 40 Windrädern stehen.

Der Ratsentscheid wurde mit 876 zu 525 Stimmen abgelehnt; hier waren die Bürger gefragt, ob sie Planung und Bau der Windkraftanlagen unterstützen. Beim Bürgerentscheid stimmten 928 Wahlberechtigte mit Ja und 454 mit Nein. Hier war die Frage, ob die Gemeinde alles tun soll, um die Windkraftanlagen zu verhindern.

"Schade, dass die Mehrheit dagegen war", sagte Bürgermeister Buchner. "Wie weit das Auswirkungen auf den Bau des Windparks hat, kann ich jetzt noch nicht beurteilen." Zumindest sei erreicht worden, dass die große Mehrheit an die Urnen gegangen sei: Die Wahlbeteiligung lag bei 75 Prozent.

Planungen für Windräder liefen zuletzt in sieben Gemeinden. Der Gemeinderat von Mehring hatte dem Projekt Anfang 2023 bereits zugestimmt. Er werde nun beantragen, die Zustimmung zu widerrufen, sagte Bürgermeister Buchner. "Sollte es zum Genehmigungsverfahren kommen, müssen wir unsere Zustimmung verweigern, weil der Bürgerwille bindend ist."

Bürgerentscheid in Mehring. (Foto: Catherina Hess)

Die Initiative "Gegenwind Altötting", die das Bürgerbegehren initiiert hatte, begrüßte das Ergebnis. "Das zeigt, dass sich die Menschen für ihren Wald, für ihre Umwelt und für ihre Heimat einsetzen", kommentierte Rainer Harböck von der Initiative. "Jetzt können wir mit Zuversicht die nächsten Schritte gehen." Geplant seien weitere Bürgerbegehren in Nachbargemeinden, unter anderem in Marktl am 9. Juni zur Europawahl.

"Wir haben hier in der Region rund um das Chemiedreieck einen sehr hohen Strombedarf. Je mehr Strom lokal erzeugt werden kann, desto besser ist es", hatte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zuvor gemahnt - und seine Hoffnung auf breite Zustimmung ausgedrückt. Pro Jahr würden voraussichtlich rund 1,1 Millionen Euro in die Kassen der Gemeinden fließen. "Hinzu kommen wichtige Impulse für die lokalen Handwerker, Unternehmen und Gastronomie, wenn für den Windpark hier rund eine halbe Milliarde Euro investiert wird."

Wie viel Wind ist genug?

Mehrings Bürgermeister Buchner und die meisten Gemeinderäte hatten das Projekt befürwortet und deshalb das Ratsbegehren auf den Weg gebracht. Der Windpark sei wichtig zur Sicherung der Arbeitsplätze und zum Erhalt des Wirtschaftsstandorts, sagte Buchner.

Die Initiative "Gegenwind Altötting" hatte hingegen argumentiert, die Gegend sei für Windkraft nicht geeignet. "Wir sind ein ausgewiesenes Schwachwindgebiet", sagte Harböck. In dem Gebiet gebe es im Schnitt Windstärken von rund 4,5 Metern pro Sekunde, für einen sinnvollen Betrieb seien 12 bis 13 Meter pro Sekunde nötig. Zudem müssten große Teile des Waldes gerodet werden, der als Bannwald fungiere, die Anwohner vor Emissionen und Lärm der Chemiebranche schütze und die Luft reinige.

Das mit dem Projekt betraute deutsch-französische Unternehmen Qair legt andere Zahlen vor. In der geplanten Nabenhöhe von rund 200 Metern liege die Windstärke bei 5,6 bis 6,1 Metern pro Sekunde, sagte Geschäftsführerin Heike von der Heyden. "Wir planen mit einer neuen Generation von Anlagen." Sie liefen bei Wind von 3 Metern pro Sekunde bis 25 Metern pro Sekunde. "Wir haben genügend Wind, um mit 200o Volllaststunden* 550 Millionen Kilowattstunden im Jahr zu erzeugen."

Pro Windrad rechnet Qair mit gut einem Hektar Wald, der für den Bau gerodet werden muss. Dauerhaft müsse pro Anlage etwa ein dreiviertel Hektar waldfrei bleiben, sagt von der Heyden. Für die gerodete Fläche müsse an anderer Stelle Wald neu gepflanzt werden.

Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) sieht das Windprojekt in Altötting positiv. Zwar seien Waldgebiete weniger geeignet als offenes Land. Aber: "Um die Klimakrise abzumildern, brauchen wir eine echte Energiewende, die in Bayern leider jahrelang systematisch verhindert wurde", sagt der Landesvorsitzende Richard Mergner mit Blick auf die 10H-Abstandsregel.

Erst die Lockerung dieser Regel, nach der Windräder das Zehnfache ihrer Höhe von Siedlungen entfernt sein mussten, hatte neue Projekte möglich gemacht, die das Staatsunternehmen Bayerische Staatsforsten nun in mehreren Waldgebieten im Freistaat vorantreibt. Nicht zuletzt zwingt das "Wind-an-Land-Gesetz" den bei Windkraft abgeschlagenen Freistaat, Flächen für Windräder zur Verfügung zu stellen - bis 2030 sollen es 1,8 Prozent der Landesfläche sein. Auch der Landkreis Altötting müsse seinen Beitrag leisten, heißt es beim Wirtschaftsministerium.

Transparenzhinweis: Im Text der Nachrichtenagentur war hier die Rede von 200 Volllaststunden. Es sind jedoch 2000 Volllaststunden. Wir haben den Fehler korrigiert.

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Von Jan Schmidbauer (Text) und Catherina Hess (Fotos)

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