Machtkampf in Bayern:Auf geht's bei der CSU!

Lesezeit: 4 min

Bayern bestaunt das Enthaupten zweier lebender Personen auf offener Bühne: Die Oktoberfestspiele der Nachfahren von Franz Josef Strauß.

von Michael Lerchenberg

Der Altbayer ist im Grunde seines Wesens immer Monarchist geblieben, und selbst die Anarchie ist ihm ohne einen starken Anarchen nicht vorstellbar. Dies sieht man etwa an der ungebrochenen Ehrerbietung, die man den Repräsentanten der vormals regierenden Wittelsbacher allerorten entgegenbringt.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen: Beckstein, Huber, Schmid und Stoiber am 29. September 2007 in München (Foto: Foto: Reuters)

Man erkennt das auch daran, dass man als bayrischer Spitzenrepräsentant, in den letzten Jahren zwangsläufig immer ein CSUler oder vom FC Bayern, nur dann wirklich erfolgreich war, wenn man gewissermaßen an Königs statt aufs Schild gehoben wurde. "König Alfons" Goppel, der barocke Polit-Berserker Franz Josef Strauß, "Kaiser" Franz Beckenbauer und der technokratische Imperator Edmund Stoiber wurden so erhöht, aber letztlich ist der Niedergang der CSU genau dem daraus entstandenen Sonnenkönigtum zuzuschreiben.

Abgehobene Realitätsferne wurde Parteiprogramm. So glaubte noch vor der jämmerlich verlorenen Kommunalwahl Kultusminister Schneider ernsthaft , das Problem der zu großen Klassenstärken löse sich mit der Zeit demographisch bequem und vor allem billig von selbst. Untersuchungsausschüsse, wie zur Landesbank- oder Hohlmeieraffäre, wurden mit großkotziger Zweidrittelmehrheit zum Kasperltheater, nach Ludwig Thoma:

Mir han de mehrer'n, Mir han de schwerer'n, All's hat an Zwirn, Bal mir regier'n. ... Mir tean im teuern Vataland Bayern, Was mir grad woll'n, Mir san de gschwoll'n Bauerndada!

Ihre Zuversicht, unüberwindlich stark zu sein, nahmen die Regierenden aus dem verlogenen Kontakt zu örtlichen, liebdienernden Parteigrößen und vom Freibier besoffenen Bierzeltjublern. Wenn Günther Beckstein im Vorbeigehen einen spalierstehenden Münchner Polizisten fragte, ob es ihm gutgehe, dann hat der natürlich nicht geantwortet, es geht ihm beschissen, weil er nach dem Wegfall der Ortszulage seine Familie nicht mehr anständig über die Runden bringt und er jetzt noch als Regalsortierer im Supermarkt Geld nebenher verdienen muss.

Also glaubte Günther Beckstein, er sei beliebt, und angestachelt von den ewig zu kurz kommenden Frankenfreunden, glaubte er, es besser zu können als sein Vorgänger. Seinen Rivalen Erwin Huber schubste er auf den Parteivorsitz, doch anstatt dort an dem Amt zu wachsen, ist dieser daran sichtlich geschrumpft.

Hosen, gewebt aus Klebstoff

Doch auch Günther Beckstein ist die Amtsgnade wahrlich nicht zugewachsen, schnell entpuppte er sich als farblose, evangelisch biedere Factory-Outlet-Version eines Sonnenkönigs. Und mit dem Einbröckeln der Fassade wurde aber plötzlich auch der ungetrübte Blick frei auf die unerträglichen Realitäten der bayrischen Politik, und anständige Bayern haben der Doppelspitze und der CSU anständig was eing'schenkt.

Spätestens am Sonntagabend wusste man dann auch, aus welchem Stoff die Hosen von Erwin Huber und Günther Beckstein gewebt sind: aus Klebstoff! Nicht mal in der Niederlage hat dieses unglückliche Gespann Größe bewiesen und das getan, was ganz Bayern erwartet und herbeigewählt hatte.

Huber verlor gar jegliche Perspektive, sah die CSU in keiner Krise, und Beckstein glaubte ernsthaft, einen Wählerauftrag aus der Niederlage für sich herauszulesen. Dafür gab es nun ein Ende mit Schrecken anstatt eines Schreckens ohne Ende.

Grausame Rache an den Protagonisten des Hausmeisteraufstands

Denn das blonde Fallbeil aus Wolfratshausen hat das Schafott aufstellen lassen. "Auf geht's beim Schichtl", und wie bei dem auf der Wiesn beliebten Spektakel gibt es nun "Das Enthaupten einer lebenden Person auf offener Bühne mittels Guillotine".

Wohl keiner, der ihn kennt, konnte ernsthaft glauben, dass Edmund Stoiber bei der erstbesten Gelegenheit nicht grausam Rache üben würde an den Protagonisten des Hausmeisteraufstands von Kreuth. Hätten sie es wider Erwarten besser gemacht und die CSU bei halbwegs erträglichen 50 plus x gehalten, so hätte er sich weiter seine Stockzähne zerbissen und tapfer geschwiegen.

Im zweiten Teil treffen sich Heckenschützen, Bauernopfer und Tambourmajore.

CSU
:Pleiten und Pannen in der CSU

Nun aber wird kein Pardon gegeben, jetzt hat er "'s Hackl auspackt", zuerst das Münchner Leibregiment mobilisiert, dann einst abgefallene Gebirgsschützen um sich gesammelt und zieht nun, verstärkt durch Ingolstädter Festungspioniere, in die Schlacht um Bayern. Thomas Goppel, vor einer Woche noch uneigennütziger Gründer des "Günther-Beckstein-Rettungsvereins", als ambitionierter Feldkaplan mit dabei.

Beckstein-Nachfolger
:Der Kampf ums Erbe

In der CSU ist ein offener Machtkampf um das Amt des Ministerpräsidenten entbrannt. Vier Kandidaten stehen sich gegenüber. Wer welche Chancen hat - ein Überblick in Bildern.

Birgit Kruse

Alois Glück, der ewige Heckenschütze und als Strippenzieher der eigentlich Schuldige von Kreuth, verschwand gleich in der nächsten Deckung. Der amtierende, aber schwer angeschossene Bezirkschef Schneider musste mit an die Front und das Urteil des Standgerichts überbringen, wollte er selbst nicht auch aufs Brett geschnallt und mitrasiert werden.

Man wird die offene Feldschlacht suchen

Als dann in Huber der Erste, seinen Kopf befreit lächelnd unter dem Arm tragend, die Lazarettstraße verließ, da rüsteten auch die Niederbayern zum Kampf, wollten sie doch ihren Erwin nicht als alleiniges Bauernopfer hängen lassen. Diesem furor bavaricus hatten dann die fränkischen Plänkler nichts mehr entgegenzusetzen - auch der heftig widerstrebende Günther Beckstein wurde zur Richtstätte geführt und wird fortan der Obhut seiner Oberlehrerin Marga anvertraut sein. Und um den Himmel bei der Findung des neuen Ministerpräsidenten gnädig zu stimmen, wird vor dem Konklave mit Fraktionschef Georg Schmid noch das Rauchopfer gebracht.

Das war schnell und effizient gehandelt, wie in Stoibers bester Zeit. Doch das große Abräumen wird noch nicht vorbei sein. Noch werden die Truppen nicht demobilisiert werden, denn jetzt gilt es nach Berlin zu ziehen und die Rechnung mit Angela Merkel und der CDU zu begleichen.

Wochenlang haben die kadergeschulte Kanzlerin und ihre Vasallen den bayrischen Löwen, den die CSU so besitzergreifend im Wappen trägt, am Nasenring herumgeführt wie einen Tanzbären, haben sie Erwin Hubers politischen Einfluss auf Gartenzwergniveau heruntergehungert.

Dies wird nun ein Ende haben, denn ihre Erfolge und Selbstachtung wird sich die CSU in Berlin zurückholen müssen. Tambourmajor Ramsauer lässt schon die Trommeln rasseln, und man wird die offene Feldschlacht suchen, denn viel hat die CSU nicht mehr zu verlieren - Angela Merkel aber alles, was ihr vielleicht auch langsam bewusst wird. Denn auch das blonde Fallbeil hat die Guillotine noch nicht wieder eingepackt und in das Haus der bayrischen Geschichte zurückgebracht. Ein paar Rechnungen sind noch offen.

Michael Lerchenberg leitet die Luisenburg-Festspiele Wunsiedel. Auf dem Münchner Nockherberg war er das Double von Edmund Stoiber und verkörpert nun den Fastenprediger "Bruder Barnabas".

© SZ vom 04.10.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: