Linke in Bayern:"Da überlebt kein Plakat den zweiten Tag"

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Während Schweinfurt das heimliche Zentrum der Linken ist, hält man deren Mitglieder im Südosten noch für Bolschewiken.

Heiner Effern und Olaf Przybilla

Die Familie von Frank Firsching durchlebt schwere Zeiten. Angefangen hat der Ärger vor neun Jahren, als Firsching aus der Partei ausgetreten ist. Die Partei, das konnte bei Firschings seit Generationen nur die Sozialdemokratische Partei Deutschlands sein. Der Großvater war schon Sozialdemokrat. Und die Mutter von Firsching sitzt seit 24 Jahren im Stadtrat von Schweinfurt - für die SPD.

Wahlplakte der Linken, die in Teilen des Freistaates nicht gerne gesehen sind. (Foto: Foto: AP)

Schon der Austritt des Sohnes löste Spannungen aus. Heftig aber wurde der Konflikt erst, als sich Firsching zu jenen gesellte, die im Jahr 2004 die ASG - die Initiative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit - aus der Taufe hoben. Dass die bunte Truppe sich zur Urzelle der Linken entwickeln und in Schweinfurt Geschichte schreiben würde, konnte keiner ahnen. Den Zwist in seiner Familie aber hat die rasante Entwicklung noch verstärkt. "Das geht sehr tief", sagt Firsching.

Links im Heiligen Land

In der Industriestadt Schweinfurt findet sich das heimliche Zentrum der Linken in Bayern. Im Stadtrat sitzen vier ihrer Vertreter, und einer davon ist Firsching, der Sohn der SPD-Stadträtin Marianne Firsching. 4 von 44 Räten, damit ist man drittstärkste Kraft in der Stadt. Das ist schon gut, sagt Firsching, aber es gebe noch "viel Luft nach oben". Die Partei ist eng verzahnt mit den örtlichen Gewerkschaften, sie kann sich deren gewachsener Organisationsstruktur bedienen.

Firsching selbst ist der beste Beweis dafür: Als einziger der 14 DGB-Bezirkschefs in Bayern bekennt er sich zur Linken - als Stadtrat und deren Kreisvorsitzender. In Schweinfurt bietet das beste Möglichkeiten, wahrgenommen zu werden: Als Schaeffler kürzlich ankündigte, womöglich bis zu 1000 Stellen in Schweinfurt zu streichen, da dauerte es wenige Stunden, bis sich hunderte Protestierer aus allen Industriebetrieben der Stadt - von Schaeffler, SKF, Sachs und Bosch - zusammenfanden.

Der Gewerkschaftsboss Firsching marschierte mittendrin. "Wir stellen in so schweren Stunden aber keinen Werbestand der Linken vor das Werkstor", hebt Firsching hervor. Dass der örtliche Gewerkschaftschef gleichwohl für die Linke steht - das wissen die Werktätigen natürlich.

Nicht überall sind die Vertreter der Linken so präsent wie in Schweinfurt. Engelbert Wurm, Bundestagskandidat im Wahlkreis Traunstein, hat sich an einem heißen Sommerabend mit seinen Konkurrenten auf das Podium gequetscht. Er sitzt ganz außen, noch links von der SPD-Kandidatin. Ein kleiner Ruck zur Seite, und er würde hinunterfallen.

Vermutlich hätten es die Besucher der Diskussion gar nicht gemerkt, denn der 66-jährige Linke hat außer den Eingangs- und Schluss-Sätzen praktisch nichts beizutragen. Dennoch ist es ein guter Tag für die Linken in Südostbayern, immerhin dürfen sie neben den anderen Parteien mit am Tisch sitzen. "Hier im Heiligen Land, der Heimat von Alois Glück und Peter Ramsauer, ist es für uns nochmal schwieriger als sonst in Bayern. Hier muss man sich als Linker outen", sagt der Kreisvorsitzende Peter Kurz.

Zwölf Jahre hatte er dieses Amt für die SPD inne, doch Schröder und seine Politik haben ihn aus der Partei getrieben. Nach der Diskussion sitzt er mit seinen engsten Mitkämpfern am Tisch in der Bierhalle: dem Kandidaten Wurm, 66, der früher in England Rennautos gebaut hat und nun Autos von sozial Schwachen repariert, dem "leibhaftigen" Stadtrat Werner Eckl, Schauspieler und Regisseur - nach 20 Jahren aus Italien zurückgekehrt und nun im Tourismus tätig, und dem emeritierten Professor Georg Auernheimer.

Was das Quartett zusammengebringt, beschreibt Kandidat Wurm: "Wenn man die Welt verbessern will, geht das nur mit der Linken."

In Oberbayern ist ihre Botschaft allerdings noch kaum angekommen. In den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land, in denen knapp 300.000 Menschen leben, gibt es neben dem Kreisverband nur einen einzigen Ortsverband: in der Stadt Tittmoning. "Der stagniert aber eher", sagt der Kreischef Kurz. Wirklich aktiv ist neben dem Quartett nur noch eine Handvoll Mitstreiter. Die anderen 50 Mitglieder engagieren sich nicht. "Wir sind einfach zu wenige. Und wo wir nicht vorkommen, da versacken wir."

Das schlägt sich in den Wahlergebnissen nieder. Eckl wird deshalb als "Leibhaftiger" vorgestellt, weil er als Stadtrat in Laufen der einzige Mandatsträger in der Region ist. In vielen Dörfern bekam die Linke gar nicht die nötigen Unterstützer-Unterschriften zusammen. "Da gehört hier viel Mut dazu, auf die Gemeinde zu gehen und sich zu bekennen", sagt Kurz.

Stadtrat Eckl weiß, dass er auch deshalb gewählt wurde, weil er als gemeinsamer Kandidat der Linken und einer anderen Liste angetreten ist. "Jetzt merken die Leute, dass ich nicht der Bolschewik bin, der mit Hammer und Sichel durchs Rathaus rennt", sagt er. Offene Ablehnung seiner Stadtratskollegen hat er nicht erlebt, aber hintenrum gehört, was man davon halte, nun "einen Kommunisten" im Stadtrat zuhaben.

Sehr direkt zeigt Kurz' Heimatstadt Trostberg, was sie von den Linken hält. Im Vergleich zu den Grünen oder der FDP hat die Linke für die Bundestagswahl nur die Hälfte des Platzes auf den Plakatwänden erhalten. Kurz ist vor das Verwaltungsgericht gegangen und hat nach der richterlichen Belehrung an die Stadt, dass auch für die Linke das Parteiengesetz gilt, Recht bekommen. Jetzt hofft er, dass es den Plakaten dort nicht so ergeht wie im nahen Dorf Engelsberg. "Da überlebt kein Plakat den zweiten Tag, dann ist es zerstört", sagt Kurz.

Schon bei Will und Illner

In Stadt und Landkreis Schweinfurt ist die Linke dagegen längst nicht mehr verpönt. Manche Mitglieder stammen aus der bürgerlichen Mitte. Als prominentestes Beispiel darf der ehemalige CSU-Ortsvorsitzende von Werneck gelten, Heinz Amling. Wer ihn nach seiner Motiven fragt, nach 17 Jahren Mitgliedschaft von den Christsozialen direkt zur Linken gewechselt zu sein, dem antwortet Amling: "Das habe ich ja schon bei Anne Will und Maybrit Illner erklärt."

Amling sagt, das Denken in Links-Rechts-Kategorien, das sei alles Quatsch. Ihm gehe es um Gerechtigkeit, für die werde er "kämpfen bis zum letzten Atemzug". Amling fährt selbst BMW, er betont das, um zu unterstreichen, dass er "niemanden seinen Maserati wegnehmen" mag. In Schweinfurt kommt so etwas gut an: 8,1 Prozent erreichte die Linke bei der Landtagswahl.

Bei der Bundestagswahl soll es mindestens so viel sein - auch wenn das Ergebnis durch den bürgerlichen Kreis Kitzingen "nach unten gezogen wird", wie Klaus Schröder befürchtet. Der stellvertretende Kreischef der Linken kann sich noch gut erinnern, wie ihn Klaus Ernst im Jahr 2004 angerufen hat - und wie ihn der Schweinfurter IG-Metall-Chef gefragt hat, ob Schröder mittun wolle bei der Gründung der ASG. "Wir wollen den Sozialdemokraten ein bisschen Angst einjagen", sagte Ernst. Dass aus dem Impetus, die alte Tante SPD zu ängstigen, nun die Spaltung der deutschen Linken erwachsen ist, will in Schweinfurt keiner bestreiten. Geplant aber, sagt Frank Firsching, "ist das vor fünf Jahren sicherlich nicht gewesen".

© SZ vom 05.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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