Landwirtschaft:Wenig Äpfel, hohe Preise

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Mit Einbußen von bis zu 85 Prozent müssen die bayerischen Apfelbauern am Bodensee in dieser Saison rechnen. (Foto: Marius Schwarz/imago)

Der Frost im Frühjahr beschert den Obstbauern eine sehr schlechte Ernte. Sie hoffen auf finanzielle Hilfe

Von Christian Sebald, München

An eine so schlechte Ernte wie in diesem Jahr kann sich Andreas Willhalm nicht erinnern. Der 46 Jahre alte Obstbauer aus Lindau bewirtschaftet 22 Hektar Land - auf 15 Hektar stehen Apfelbäume, auf sechs Birnbäume, und auf dem verbleibenden einen Hektar baut er Beeren und Kürbisse an. In guten Jahren erntet Willhalm 40 bis 45 Tonnen Äpfel und Birnen je Hektar Anbaufläche. In diesem Herbst sind gerade mal fünf bis sechs Tonnen. Und auf einigen Plantagen hängt überhaupt kein Apfel in den Bäumen. "Aufs Ganze gesehen hab ich 85 Prozent Ausfall", sagt Willhalm frustriert, "so schlimm war es noch nie." So wie Willhalm ergeht es derzeit vielen Obstbauern am Bodensee. Schuld an der Missernte ist der Frosteinbruch im April.

Es ist ein schlimmes Jahr für die Obstbauern am Bodensee. Dabei hatte es sich erst gut angelassen. Der März war ungewöhnlich warm. An einigen Tagen stiegen die Temperaturen auf frühsommerliche 20 Grad und mehr. Binnen kürzester Zeit trieben die Obstbäume aus. Anfang, Mitte April standen die Apfel- und Birnbäume in voller Blüte. Normalerweise tun sie das erst um den 1. Mai herum. Doch dann kehrte am 19. April plötzlich die Kälte zurück, mit Schnee und Nachtfrösten von bis zu minus sieben Grad. Das haben die Apfel- und Birnenblüten nicht überlebt. Gelbbraun abgefroren hingen sie in Massen in den Bäumen. Schon damals war klar, dass die Lindauer Obstbauern dieses Jahr massive Ausfälle hinnehmen werden müssen. Unklar war nur, wie hoch sie tatsächlich sein werden.

Mit seinen etwa 700 Hektar Anbaufläche und den ungefähr hundert Apfelbauern ist die Gegend um Lindau eine vergleichsweise kleine Obstregion. Zum Vergleich: Auf der Baden-Württemberger Bodensee-Seite bewirtschaften 1200 Obstbauern ungefähr 7500 Hektar Anbaufläche. Die Lindauer Äpfel und Birnen sind bekannt und begehrt. Auf den Bauernmärkten in München und anderswo gehen sie immer rasant weg. Nun freilich müssen sich die Liebhaber von Elstar, Gala, Rubinette und Co. vom Bodensee auf ein deutlich kleineres Angebot einstellen - und auf höhere Preise.

Wie hoch die Ausfälle sind, kann noch keiner so genau sagen. Denn die Ernte ist noch im Gang. "Man wird es erst an ihrem Ende wissen", sagt Martin Nüberlin, 64 und Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft der Lindauer Obstbauern. Ersten Schätzungen zufolge hängen dieses Jahr durchschnittlich zwei Drittel weniger Äpfel und Birnen in den Bäumen als in normalen Jahren. "Aber das ist wirklich nur grob geschätzt", sagt Nüberlin. "Da vertut man sich nämlich sehr leicht." Sicher ist einzig, dass es für mache Obstbauern ums Überleben geht.

Mit Kälteeinbrüchen und plötzlichen Frösten ist es so eine Sache. "An den Straßen oder an den Ortsrändern bleibt es bei so einem abrupten Kälteeinbruch immer ein oder eineinhalb Grad wärmer als zwei oder drei Baumreihen dahinter in der Plantage", sagt Nüberlin. "Und das können dann die ein oder eineinhalb Grad sein, die darüber entscheiden, ob die Apfelblüten abfrieren oder nicht." Nüberlin berichtet von Anbauflächen, "auf denen die Bäume vorne an der Straße praktisch voller Äpfel sind, während in den hinteren Reihen kaum noch welche an den Ästen hängen".

Ein anderes Problem ist die Qualität. Viele Äpfel haben sogenannte Frostringe, bräunliche Ringe, die sich um die Schale herumziehen. Sie haben zwar keinen Einfluss auf den Geschmack. Aber viele Verbraucher legen so großen Wert auf das makellose Aussehen von Obst, dass es mit Froststreifen nur schwer absetzbar ist. "Und dann sind die Äpfel nur noch als Mostäpfel verwendbar", sagt Nüberlin.

Wie auch immer, am Landwirtschaftsministerium in München stricken die Experten an einem Hilfsprogramm. Zwar zieren sie sich, Eckdaten herauszugeben, bevor es Agrarminister Helmut Brunner (CSU) demnächst im Kabinett vorstellt. Aber die Lindauer Obstbauern rechnen fest damit, dass es dem Baden-Württemberger Vorbild folgt. Die dortige grün-schwarze Landregierung leistet ihren Obstbauern Schadenersatz ab Ernteausfällen von 30 Prozent - bis zu einer Höchstgrenze von 150 000 Euro. "So eine Regelung ist auch hier bei uns dringend notwendig", sagt Nüberlin. "Für etliche Berufskollegen geht es um nichts weniger als um ihre Zukunft."

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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