Landesregierung vereidigt:"Ihr steht unter meiner besonderen Beobachtung"

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Applaus vom Ministerpräsidenten: Horst Seehofer und sein neues Kabinett bei der Vereidigung im Landtag. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Ministerpräsident Horst Seehofer ernennt die neue Staatsregierung. Der Chef gibt sich gut gelaunt - und macht wie gewohnt Scherze. Doch die kann man auch als Drohung verstehen.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Am Ende ist es wie oft nach einem Kraftakt. Die Anspannung löst sich auf in Gelächter, der Stress weicht. Viele Tage hat Horst Seehofer damit verbracht, sein zweites und letztes Kabinett aufzustellen. Den Abschluss bildet am Donnerstag eigentlich ein steifer Tag voller Formalitäten: Amtseide, Ernennungsurkunden. Es sind die Sekunden, als die neuen Minister ihr Antrittspapier bekommen, als der Ministerpräsident das Ventil weit aufmacht, damit der ganze Dampf abzieht.

Gerade will Seehofer seine neue Staatskanzleichefin Christine Haderthauer ernennen mit Urkunde und Blumenstrauß, als ihn der Schalk packt. "Herr Finanzminister", ruft Seehofer Markus Söder zu, "früher waren die Blumensträuße größer". Denn Söder ist ja fürs Bezahlen zuständig. Auf die Schlagfertigkeit von Haderthauers langjährigem Hauptgegner ist Verlass. "Die größten gibt's bei der Verabschiedung", ruft Söder frech dazwischen.

All die Neuen, die ja vor allem Alte sind, hat das Protokoll fein abgewogen im Marmorsaal des Prinz-Carl-Palais platziert. Ilse Aigner hat den besten Platz, Reihe eins, Mitte am Gang. Söder sitzt gleich neben ihr. Haderthauer in der Nähe, ebenso Joachim Herrmann - das ist Seehofers starkes Quartett. Drumherum gruppieren sich die, die auch noch im Kabinett sitzen.

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Für fast jeden packt Seehofer eine fröhliche Spitze aus. "Ihr steht unter meiner besonderen Beobachtung", bekommen die zuvor von der Opposition gelobten Ministern Helmut Brunner (Agrar) und Winfried Bausback (Justiz) zu hören. "Du bist jetzt wieder frei", sagt er zu Emilia Müller, die aus seinem direkten Einflussbereich Staatskanzlei ins Sozialministerium wechselt. Da lächelt Christine Haderthauer mit ihrem kleinen Blumenstrauß versonnen, die den gegenteiligen Weg geht.

Es ist der Tag, an dem die Neuen die erste Ahnung davon bekommen, was jetzt folgt. Der neue Münchner Kultus-Staatssekretär Georg Eisenreich lässt die Runde viele Minuten warten, weil er zu spät aus dem Landtag herüberkommt, wo das Kabinett zuvor vereidigt wurde. Seine Familie, vor allem die kleine Tochter, hat ihn dort festgehalten. Seehofer ernennt ihn dann zum "Staatssekretär für Bildung, Kultus, Wissenschaft, Kunst - und Pünktlichkeit".

"Spassss"

Alles nur Spaß oder, wie Seehofer sagen würde, "Spassss". Noch. Jeder von ihnen weiß um Seehofers ernste Seite, wie verletzend er werden kann, wenn die Arbeit nicht nach seinen Wünschen läuft. "Wir sind ein Team", sagt Seehofer. "Wir legen alle miteinander viel Wert darauf, dass man diese Aufgabe im Teamkreis angeht." "Es liegt an jedem einzelnen." Solche Sätze stehen manchmal in Schulen in der Aula. Wir behandeln uns mit Respekt und halten den Pausenhof sauber.

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Was passiert, wenn sich der kraftmeiernde Horst und der gütige Herr Seehofer auf ein Kabinett einigen müssen? Das Ergebnis hat Bayerns Ministerpräsident mit dem gespaltenen Charakter präsentiert: Eine Mischung aus mutlosen Personalentscheidungen und dynamischen Veränderungen. Vor allem aber offenbart die neue Regierung ein Problem der CSU.

Ein Kommentar von Frank Müller

Es sind Sätze, die man als Zustandsbeschreibung, Wunsch oder Drohung begreifen kann. "Ich kenne Euch alle und Ihr kennt mich", sagt Seehofer. Aber noch ist Seehofer entspannt, vor allem, wenn Ilse Aigner in der Nähe ist. Für sie dichtet er sogar die Ernennungsformel um. "Ich bestimme sie gleichzeitig mit großer Freude zu meiner Stellvertreterin", sagt er: ",Mit großer Freude' steht nicht in der Urkunde." Söder guckt derweil an die Decke und zückt sein Handy, lässt es aber schnell wieder im Jackett verschwinden.

Es ist ein vorsichtiges Herantasten an den neuen Job, oder ein professioneller Rollentausch. Je nach dem, was für ein Typ der Politiker ist. Bei Johannes Hintersberger zum Beispiel, dem neuen Finanz-Staatssekretär. Seit zehn Jahren schon ist der Augsburger im Landtag. Jetzt steht er vor dem Palais, es regnet, einer der vielen dunklen Dienstwagen ist für ihn. Aber welcher? Er hat das Kennzeichen noch nicht im Kopf, aber das wird kommen.

Ein paar Stunden zuvor, acht Uhr, der neue Justizminister Winfried Bausback verlässt seine Abgeordnetenwohnung. Gut drei Stunden noch, dann wird er vereidigt. Er sagt, er könne immer noch nicht so recht fassen, was in diesem Tag passiert ist. Eben noch einfacher Abgeordneter, plötzlich Minister. Im Hof des Landtags wartet ein Kamerateam auf den 47-jährigen Aschaffenburger. Er soll erklären, was er nun im neuen Amt vor hat. "Rechtspolitisch gestalten", sagt er.

Was soll er auch sagen in diesem Moment, wo er noch nicht einmal seinen neuen Schreibtisch gesehen und eigentlich auch keine Zeit dafür hat - er hat schon einen Termin: Richtertagung. Auf ihn kommt viel Arbeit zu. Der Fall des Psychiatrie-Patienten Gustl Mollath hat das Vertrauen in die Justiz erschüttert, auch deshalb durfte Vorgängerin Beate Merk nicht länger Justizministerin bleiben. Das Ressort kann hart sein. Bausback genießt noch den Moment: "Ein tolles Gefühl." Eine politische Karriere beginnt.

Eine andere läuft aus. Merk, die nun Europaministerin ist, bekommt zu spüren, wie nachgetreten wird. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger teilt im Landtag gegen sie aus: "Leute, die dem Landtag die Unwahrheit gesagt haben, diese Personen sind weiterhin in Amt und Würden", sagt er und fügt den bösen Satz an: Merk treffe sich nun bei Auslandsreisen "mit den Leuten, wo man's auch mit dem Wegsperren von Leuten nicht so genau nimmt".

Die Opposition, das ist zu spüren, sucht noch immer nach ihrer Rolle in der zurückgekehrten absoluten Mehrheit. Aiwanger stänkert gegen das Kabinett mit "Super-Markus und Super-Ilse", SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher zeigt seinen Frust. Ob Opposition Mist sei, wie es einst Franz Müntefering behauptete? Ja, sagt Rinderspacher gleich dreimal.

"Sonderaufgaben heißt: alles"

Derweil ist Christine Haderthauer schon wieder auf dem Sprung. Am Freitag geht es schon nach Berlin. Sie ist jetzt Staatskanzleichefin mit der Zuständigkeit für die Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben. "Sonderaufgaben heißt: alles", sagt Seehofer. Ihr Büro wird schon renoviert, als sie im Sozialministerium Abschied von ihren Mitarbeitern feiert. Seehofer hat im Landtag gesagt, ihm sei jetzt wichtig, dass die neue Regierung schnell die Arbeit aufnimmt. Er versteht sein Kabinett auch als Pendant zu Berlin - wie stark, wird deutlich, als er Melanie Huml versehentlich zur Bundesgesundheitsministerin ernennt.

Ilse Aigner, Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin, muss anders herum denken. Jedenfalls hält ihr gerade Ludwig Hartmann, der erst 35 Jahre alte Fraktionschef der Grünen vor, sie könne sich bei der Energiewende in Zukunft nicht um eine eindeutige Position herumdrücken. Es ist nicht lange her, da hatte sie als Bundesministerin mit Staatenlenkern an einem Tisch gesessen. Jetzt meckert die Opposition schon, bevor sie überhaupt die Schlüssel für ihr neues Ministerium hat.

Einen treuen Zuarbeiter hat sie immerhin, Franz Josef Pschierer wird ihr Staatssekretär. Mit ihm hat sie sich am Vorabend noch in der Landtagsgaststätte getroffen. Pschierer arbeitete bisher für Söder. Nun stehen er und Aigner eng beisammen, scherzen und lachen. Und man fragt sich, ob man Pschierer jemals so glücklich an der Seite von Söder gesehen hatte.

© SZ vom 11.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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