Für Bayerns unabhängige Patientenberater kommt der Trend nicht überraschend. Die Beschwerden über Pflegekräfte in den Krankenhäusern nehmen zu: Gestresste Pfleger und Schwestern, die sich kaum mehr Zeit für einzelne Patienten nehmen können - das ist mittlerweile Alltag. Viele Beschwerdeführer, so wundert sich Peter Friemelt vom Gesundheitsladen München, zeigten gar Verständnis dafür, dass Pflegekräfte nur zu den notwendigsten Handgriffen kommen. Für intensivere Patientenkontakte fehle ihnen die Zeit. Grund: Es gibt zu wenige Pflegekräfte. Dabei sei die Zahl der Patienten in den letzten 25 Jahren um 35 Prozent gestiegen. In Bayerns Kliniken fehlen aus Sicht der Gewerkschaft Verdi 12 000 Pflegekräfte. Hier nun setzt das neue Volksbegehren "Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern" an, für das seit Donnerstag Unterschriften gesammelt werden.
Kurzgefasst sind die Ziele des Volksbegehrens folgende: mehr Personal ins Krankenhaus, feste Personalschlüssel für wirklich alle Funktionsbereiche, härtere Hygiene-Vorgaben und strenge Konsequenzen für Häuser, die künftig den Personalvorgaben nicht nachkommen. "Um das Volksbegehren durchzubringen, benötigen wir 25 000 Unterschriften, unser Ziel sind aber 40 000 bis zur Landtagswahl im Herbst", sagt die Rechtsanwältin Adelheid Rupp, die mit zum siebenköpfigen Team der Initiatoren gehört. Mit dabei ist auch die Augsburger Krankenschwester, Ica Fritz. "Ich will ganz einfach die drohende Gefahr der Überlastung abwenden, die stets über uns schwebt", sagt Fritz. Sie erkenne den Beruf nicht mehr wieder, den sie vor 38 Jahren ergriffen habe: "Enorm viel Arbeit und wenig Zeit für Menschlichkeit", so beschreibt Fritz den aktuellen Stationsalltag. Angesichts des Zeitdrucks bleibe Pflegekräften gar nichts anderes übrig, als von Bett zu Bett zu hasten. "Und so habe ich mir das nicht vorgestellt", sagt die 58-Jährige. Ganz zu schweigen davon, dass Pflegekräfte nachweislich ein erhöhtes Risiko haben, berufsbedingt zu erkranken, wie Verdi-Funktionär Robert Hinke betont, auch er einer der Initiatoren des Volksbegehrens.
Diese Fehlentwicklung in der Pflege, die kaum ein Gesundheitspolitiker noch bezweifelt, hat sich indes längst abgezeichnet. So bemängelte Sigrid König als Sprachrohr der Betriebskrankenkassen in Bayern, dass die Zahl der Pflegekräfte seit 2006 um nur 17 Prozent stieg, während im gleichen Zeitraum "die Zahl der hauptamtlichen Klinikärzte im Freistaat um mehr als 40 Prozent gestiegen" sei. Geändert hat sich daran wenig. Der Pflegenotstand sei Fakt, und die Berliner Gesundheitspolitik erweise sich bei der Lösung des Problems als ebenso bemüht wie hilflos, sagt unterdessen Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag. Dass er zu den Initiatoren des Volksbegehrens gehört, begründet er so: "Gebot der Stunde, ein Krankenhaus darf keine Fabrik sein." Erst recht aber keine Gefahrenquelle, wie Peter Hoffmann, einer der Vorsitzenden des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte, fordert. Hygieneuntersuchungen in einer Münchner Klinik hätten ergeben, "dass von 100 Betten 68 schmutzig waren". Für ihn ist auch das eine Folge der Personalpolitik in den Häusern.
Dass es keine gesetzliche Personalbemessung mehr gibt, ist das Werk von Horst Seehofer. 1996 habe der als Bundesgesundheitsminister das entsprechende Gesetz abgeschafft, betont Verdi-Mann Hinke. Nun aber könne der Freistaat vorbildlich voranschreiten, hofft Rechtsanwältin Rupp. Der Volksentscheid habe auch das Ziel, dass ein Paragraf im bayerischen Krankenhausfinanzierungsgesetz endlich Anwendung finde. Der ermögliche es, dass der Freistaat die Personalbemessung für Kliniken auf Landesebene regele.
Für den Augsburger Gewerkschafter Stefan Jagel, der Siebte im Bunde der Initiatoren, ist das auch dringend geboten. "Die aktuelle Situation ist eine Katastrophe", sagt er.