Landespolitik:Alles wieder auf Anfang

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Zum zweiten Mal binnen eines Jahres wird Markus Söder als bayerischer Ministerpräsident vereidigt. Während er diesmal versöhnliche Töne anschlägt, sehen die Grünen eine Koalition der Mutlosen am Werk

Von Wolfgang Wittl, München

Victory-Zeichen? Indianer-Ehrenwort? Bei der Vereidigung durch Präsidentin Ilse Aigner tat sich Markus Söder zunächst ein bisschen schwer. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Markus Söder hat in der jüngeren Vergangenheit viel gelernt über die Würde des Amtes, aber seine Gefühle wird man wohl trotzdem noch benennen dürfen. "Ach, wissen Sie", sagt er, "das ist mir völlig wurscht." Es ist Dienstagmittag, die Koalition aus CSU und Freien Wählern hat ihn gerade zum Ministerpräsidenten gewählt, da wird Söder nach Abweichlern gefragt. Zwei der 112 Stimmen aus dem Regierungsbündnis fehlen ihm. Doch Söder, ein Mann von ausgewiesenem Ehrgeiz, erweckt glaubhaft den Eindruck, dass ihn das nicht schmerzt. Er erwähnt nicht mal, dass ein CSU-Abgeordneter krank fehlte - und damit also nur eine Stimme. Er sei einfach dankbar für ein "so solides Ergebnis". Ist das jetzt die neue Demut, die ihm Oppositionspolitiker immer noch absprechen?

Es hat sich einiges verändert seit Mitte März, als Söder erstmals zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Wie ein Fremdenführer marschierte er mit Fotografen den Landtag ab, allzeit bereit für ein gutes Motiv. Stolz wie ein Eigenheimbesitzer zeigte er die Staatskanzlei. Das Auszählen der Stimmen hatte er gar nicht erwarten können, die Mappe mit den Wahlunterlagen wirbelte er umher, dass einem schwindlig wurde. Am Dienstag faltet Söder seine Hände, als würde er beten. Ab und zu ein Drehen der Stimmkarte, schließlich eine geballte Faust, als Landtagspräsidentin Ilse Aigner das Ergebnis vorträgt. Erster Gratulant ist Hubert Aiwanger, Söders Zwangspartner von den Freien Wählern. Er haut seinem Vordermann mit einer freundschaftlichen Wucht ins Kreuz, die eines niederbayerischen Landwirts würdig ist.

Um 11.17 Uhr legt Söder den Amtseid ab, auf sehr spezielle Art. Ist da jemand nervös? Er hebt zwei Finger wie beim Victory-Zeichen, dann wie ein Kind beim großen Indianer-Ehrenwort, und dann erst die ganze Hand. Nicht mal zehn Minuten spricht er. Kurz listet er die Überschriften des Koalitionsvertrags auf, ehe er sich demonstrativ auch der Opposition zuwendet, der er früher stets nur seine Schulter gezeigt hatte. Besser zuhören müsse man, die Argumente des Gegenübers ernster nehmen, nicht alte Parolen abspulen. Söder bezieht die Worte auch auf sich, wirbt um Anstand und Stil: "Keiner hat die Wahrheit von vornherein gepachtet." Wer andere schlecht mache, werde selber keinen Erfolg haben. Da schauen sogar in der CSU einige verblüfft.

Er werde versuchen, Ideen der Opposition aufzugreifen, verspricht Söder. Die könne im Gegenzug ja zugeben, dass auch die Regierung nicht alles falsch mache. "Hart" sei der Wahlkampf gewesen, vielleicht gelinge es, mehr Respekt zu entwickeln. Als Söder fertig ist, will er sich wieder zu den Abgeordneten setzen. Erst ein zarter Hinweis von CSU-Geschäftsführer Tobias Reiß lässt ihn in Richtung Regierungsbank umkehren, die nun wieder seine ist - nur 23 Tage nach der Landtagswahl und exakt 40 Jahre nach der ersten Wahl von Franz Josef Strauß zum Ministerpräsidenten.

Wer neben ihm auf der Regierungsbank sitzt, will Söder am nächsten Montag erst kurz vor der Vereidigung des Kabinetts bekanntgeben. Mit den Kandidaten der CSU wird er Einzelgespräche führen, nichts soll nach außen dringen. Bei den Freien Wählern zeichnen sich die Konturen klarer ab. Neben den Ministern Hubert Aiwanger (Wirtschaft, Energie, Landesentwicklung), Michael Piazolo (Kultus) und Thorsten Glauber (Umwelt) werden als Staatssekretäre zwei Neulinge im Landtag gehandelt: Anna Stolz, die frühere Bürgermeisterin aus Arnstein in Unterfranken (Kultus). Und Roland Weigert, Ex-Landrat von Neuburg-Schrobenhausen (Wirtschaft).

Katharina Schulze lässt schon am Dienstag erkennen, dass sie es der neuen Regierung keinesfalls leicht machen will. Die Grünen sind die stärkste Fraktion nach der CSU, ihre Fraktionschefin Schulze ist jetzt Oppositionsführerin. "Ein Bündnis der Mutlosen" habe sich da zusammengetan, ruft sie CSU und Freien Wählern zu. So viele Rollen habe Söder in seinem politischen Leben eingenommen, dass man gar nicht wisse, wer er wirklich sei. Ein Ministerpräsident müsse Gräben überwinden, doch Schulze bezweifelt, dass Söder die Gesellschaft zusammenführen könne.

Bündnis der Mutlosen? Das sei schon "weit hergeholt, wenn es die verschmähte Braut sagt", kontert Florian Streibl, der neue Fraktionschef der Freien Wähler. Ein modernes und bürgernahes Bayern verspricht Streibl mit Verweis auf den Koalitionsvertrag, "jetzt dämmert es schön orange am schwarzen Himmel empor".

Horst Arnold, neuer Fraktionschef der halbierten SPD, erkennt weder am Himmel noch im Parlament eine Aufbruchsstimmung, sondern "stabile Perspektivlosigkeit". Die FW hätten sich von der CSU über den Tisch ziehen lassen, seien nun deren "willige Assistenten". Lustig wird es, als FDP-Fraktionschef Martin Hagen die "starke Stimme" der Liberalen preist. Hagen reagiert auf das Gelächter schlagfertig. Ja, die FDP stelle nur elf der 205 Abgeordneten. "Aber dass es nicht an der Quantität liegt, haben Sie in der letzten Legislatur unter Beweis gestellt", sagt er zur CSU.

AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner fordert alle anderen Fraktionen auf, "Spielchen" wie am Tag zuvor zu "unterlassen". Da hatte das Plenum den AfD-Kandidaten für den Landtagsvizepräsidenten krachend durchfallen lassen. "Halten Sie sich ans Grundgesetz und an die Rechtssprechung, dann können Sie eine konstruktive Opposition erwarten." Eine freie Wahl liege einzig im Ermessen der Abgeordneten, Kritik sei völlig unangebracht, entgegnet Thomas Kreuzer (CSU). Seine Fraktion werde fremde Meinungen immer anerkennen, aber niemals radikale. Da klatschen alle Abgeordneten, mit Ausnahme der AfD.

© SZ vom 07.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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