Der Ärger ist groß am Tag nach der Ankündigung, dass Grund-, Mittel- und Förderschullehrer in Bayern künftig mehr arbeiten müssen. Ein Blick in die sozialen Netzwerke zeigt zahllose Kommentare, die zwischen Wut, Zynismus und Häme schwanken. Verständnis hat kaum jemand, der Tenor ist eindeutig: Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) verschärfe den Lehrermangel eher noch, denn attraktiver werde der Beruf durch Mehrarbeit nicht. Fakt ist, dass die Volks- und Förderschulen die Hauptarbeit bei Inklusion sowie Integration leisten und Lehrerverbände seit Jahren die Arbeitsbelastung kritisieren. Aber eine Alternative zur Mehrarbeit scheint es nicht zu geben, sonst hätte sich die Staatsregierung diesen Ärger vor der Kommunalwahl im März wohl erspart.
Schon im kommenden Schuljahr könnten 1400 Stellen an Volks- und Förderschulen unbesetzt bleiben, wenn jetzt nicht nachgesteuert werde, hatte Piazolo am Dienstag erklärt und an die Solidarität der Lehrer appelliert: Wenn viele freiwillig mehr arbeiten, müssen wohl nicht alle Einschnitte umgesetzt werden. Dass das reiche, glaubt er aber nicht. Um Wut abzupuffern, schrieb Piazolo den Lehrern einen Brief und bat darin um Verständnis, schließlich führten auch Entlastungen etwa bei Inklusion oder Ganztag dazu, dass jetzt mehr Lehrer gebraucht werden. Schon im Herbst sollen Lehrer in Teilzeit an Förderschulen mindestens 23 Stunden, an Volksschulen mindestens 24 Stunden unterrichten. Teilzeit aus familiären Gründen bleibt unberührt. Lehrer dürfen erst mit 65 vorzeitig in den Ruhestand gehen, das Sabbatjahr wird gestrichen. Grundschullehrer sollen eine Stunde mehr unterrichten, die später ausgeglichen wird.
Während das Ministerium betont, dass die Mehrarbeit nur vorübergehend sei, feixt mancher schon über ein Ende der Beamten-Privilegien. Davon will Rolf Habermann, Chef des Bayerischen Beamtenbundes, nichts hören. Er versucht aber, die Wogen zu glätten: "Ich hoffe, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Wir würden uns wünschen, im Dialog die Maßnahmen noch abmildern zu können".
Auch Verbände und Opposition kritisierten Piazolo scharf. Ideen für schnelle Abhilfe lieferten sie nicht, forderten aber eine langfristige Lösung. Denn das Problem ist alt: Prognosen sind unzuverlässig; seit Jahrzehnten gibt es an manchen Schularten zu viele Lehrer, während sie anderswo fehlen. Wieder wurde das Ministerium von Zuzügen, Geburten und Teilzeitanträgen überrascht. Die Lösung sehen der Bayerische Lehrerverband, Experten und Opposition in flexibler Lehrerausbildung. Pädagogen wären dann an vielen Schulen einsetzbar, aber alle müssten gleich bezahlt werden. Das wäre teuer und würde Begehrlichkeiten anderer Beamtengruppen wecken. Derzeit verdienen Volksschullehrer weniger als ihre Kollegen. Bisher lehnen CSU, FW und Realschul- sowie Gymnasialverbände die flexible Ausbildung ab. Der Einheitslehrer stehe im Widerspruch zum gegliederten Schulsystem.