Wenn es um das Energiesparen geht, dann hat der Grünen-Politiker Martin Stümpfig klare Vorstellungen. "Was wir am dringendsten brauchen, sind die berühmten Kümmerer vor Ort", sagt der Landtagsabgeordnete. "Deshalb müssen wir endlich in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt Energieagenturen einrichten." Denn dann, so Stümpfig weiter, haben Privatleute, Mittelstand und Handwerker, aber auch Kommunalpolitiker Experten, die ihnen maßgeschneiderte Lösungen fürs Energiesparen liefern, "dann kommen wir voran". Elf Energieagenturen gibt es derzeit im Freistaat, bei 71 Landkreisen und 25 kreisfreien Städten ist also noch viel Luft nach oben. Um eine Milliarde Kilowattstunden Strom im Jahr, so lautet das Ziel der Grünen, soll mit Hilfe eines flächendeckenden Netzes von Energieagenturen der Stromverbrauch in Bayern reduziert werden. 2014 lag er bei 88,3 Milliarden Kilowattstunden im Jahr.
Und was sagt Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), die auch für die Energiewende zuständig ist, in ihrem neuen Energieprogramm zum Energiesparen? "Bayern ruft eine neue Energieeffizienz-Offensive aus", heißt es auf Seite 29. "Wir werden die energiespezifische Information und Beratung ausweiten, den Austausch innerhalb der Wirtschaft mit Energieeffizienznetzwerken stärken und die Energieeinsparung mit weiteren Maßnahmen über das Arbeitsforum Energiesparen und Energieeffizienz voranbringen." Konkrete Ziele oder eine Quote, wie sie die Grünen formulieren? Fehlanzeige.
Es sind freilich nicht nur die Landtags-Grünen, die bitter enttäuscht sind von dem Energieprogramm, das Aigner vor Monatsfrist veröffentlicht hat. Bis weit ins Kabinett hinein rätseln sie in der CSU, was die Energieministerin bei ihrem neuen Papier geritten hat - so wenig ehrgeizig und schwammig ist es formuliert. Die Grünen haben jetzt noch einmal nachgerechnet. Das Ergebnis: "Wenn da nicht mehr kommt, dann ist der bayerischen Energiewende schon jetzt die Luft ausgegangen", sagt Stümpfig.
So beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Laut Aigners Papier soll 2025 ihr Anteil an der Stromproduktion 70 Prozent betragen. "Das ist Stillstand pur", sagt Stümpfig. "Wenn man die Stromproduktion der vier bayerischen Atomkraftwerke herausrechnet, kommen die erneuerbaren Energien schon jetzt auf 69,6 Prozent Anteil." 0,4 Prozent Steigerung in zehn Jahren - auch viele Minister waren wenig amüsiert, als Aigner dies im Kabinett auf Seehofers nachdrückliche Aufforderung hatte einräumen müssen.
Bei den neuen Gaskraftwerken, welche die Sicherheit der Stromversorgung gewährleisten sollen, wenn einmal das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet ist, argumentiert Aigner nicht minder tollpatschig. Auch in dem Punkt hat Stümpfig nachgeforscht. Das Resultat: Die Energieversorger in Bayern wollen derzeit neun Gaskraftwerke mit 2285 Megawatt Gesamtleistung stilllegen - weil sie sich nicht rechnen und das auch langfristig nicht tun werden. Aigner hingegen will zwei komplett neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von insgesamt etwa 2000 Megawatt errichten. Auf Seite 47 ihres Konzepts feiert sie dies sogar als einen wichtigen Sieg über den Bund. Wie sie aber Investoren für die beiden Milliardenprojekte finden will, wenn sich schon vorhandene Anlagen nicht rechnen, sagt sie mit keinem Wort. Etliche Experten sind sich denn auch ziemlich sicher, dass sich am Ende niemand finden wird, der Aigner die Gaskraftwerke hinstellt. Diese Kritik ließe sich nun für jedes Kapitel in Aigners Programm fortsetzen. Das Fazit bliebe stets das Gleiche: Während das alte Energieprogramm aus dem Jahr 2011 in vielen Passagen über realistische Ziele hinausschoss, bleibt Aigners neues Papier hinter den Anforderungen zurück - und zwar deutlich. Offenbar sieht das auch Ministerpräsident Horst Seehofer so. Angeblich hat auch er Aigner aufgefordert, nachzubessern.