Kriminalität:Verbrecherjagd in der Dunkelheit

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Wie Netzwerkfahnder des Landeskriminalamts den Handel mit Drogen, Waffen und Kinderpornos im Darknet bekämpfen

Von Dietrich Mittler, München

"Klassische Ermittlungsarbeit ist immer noch gefragt", sagt Kriminalhauptkommissar Ludwig Waldinger vom Bayerischen Landeskriminalamt (LKA). Dass diese These stimmt, davon ist er überzeugt: "Sonst hätten wir die Festnahmen nicht", sagt er. Und dennoch, die Arbeit der Kriminalbeamten steht vor neuen Herausforderungen. Im Drogenhandel etwa ist das Darknet - das dunkle Netz - laut Waldinger inzwischen der gängige Markt, um die neuen Substanzen zu erwerben, die unter so verharmlosenden Namen wie "Kräutermischung" oder "Badesalz" bekannt sind. "Das ist leider stark verbreitet", sagt Waldinger.

Doch längst sind es nicht nur die Drogenhändler, die die Anonymität des Darknets zu nutzen suchen. "Die Fallzahlen beim Handel mit Falschgeld steigen seit zwei Jahren enorm an - auch in kleinen Mengen werden die Blüten bestellt", sagt Waldinger. Für ihn und seine Kollegen sind dies Auswüchse, die erst durch die Digitalisierung des Verbrechens möglich wurden. "Wer hätte denn vor fünf Jahren Kontakte zu jemandem gehabt, der ihm Falschgeld anbietet?", sagt er. Und jetzt könne man sich im Darknet einfach mal so "drei falsche Fuffziger bestellen". Natürlich dann in minderer Qualität, aber dafür günstig.

Waldinger, der in der LKA-Pressestelle sitzt, hat für die Handelsplattformen des Darknets und deren Dimension einen Vergleich parat: "Die sind fast so wie große bekannte Verkaufsplattformen", sagt er. Nur, dass es dort Dinge gibt, die seriöse Internet-Händler nicht haben: etwa Kreditkarten-Daten, Kinderpornos, Rauschgift, Falschgeld, Waffen, Auftragskiller. Welch dunkle Kanäle sich da auftun, wurde der Öffentlichkeit so richtig erst im vergangenen Jahr durch den Amoklauf in München bewusst. Die Ermittler waren darauf gestoßen, dass sich der jugendliche Täter seine Waffe im Darknet beschafft hatte.

Aus Sicht der LKA-Experten findet das Darknet längst seinen Niederschlag in der bayerischen Kriminalstatistik. "Die leichte Verfügbarkeit von Betäubungsmitteln dürfte hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen", ist sich das LKA sicher. Der Erwerb von Rauschgift - aber eben auch von Falschgeld und anderen illegalen Gütern - setze nicht länger voraus, einer entsprechenden Szene anzugehören. "Es genügt vielmehr ein heimischer PC und sehr überschaubares Know-how zur Abwicklung der illegalen Geschäfte im Cyberspace".

Aktuell führt allein das Drogendezernat des LKA mehr als 800 Ermittlungsverfahren durch, in denen das Darknet in irgendeiner Weise genutzt wird. Waldinger und seine Kollegen indes warnen: "Wer Drogen im Darknet kauft beziehungsweise verkauft, sollte sich seiner vermeintlichen Anonymität nicht zu sicher sein." Anonymität versuchen auch die sogenannten Netzwerkfahnder des LKA zu wahren. "Zur Größe der Abteilung machen wir keine Angaben", sagt Waldinger. Das lief zu den Anfangszeiten der Internet-Ermittler noch anders, als das LKA stolz seine "Cybercops" der Öffentlichkeit präsentierte.

Nicht so bei den Netzwerkfahndern: Sie agieren verdeckt und im Hintergrund. Immerhin eines lässt Waldinger dann aber doch raus: "Mittlerweile sind die Netzwerkfahnder beim Dezernat Cybercrime angesiedelt." Ihr Haupteinsatzgebiet ist der Kampf gegen die Vertreiber und Konsumenten von Kinderpornografie.

Das Darknet ohne Anfangsverdacht auf Drogendealer zu durchforsten, dafür reichen die Kapazitäten der Abteilung indes nicht aus. Die Ermittler treten auf diesem Gebiet meist erst dann in Erscheinung, wenn sie die Kollegen der Drogenfahndung um Beistand bitten, also bei einem konkreten Tatverdacht. Und der ergibt sich, wie Waldinger betont, eben doch immer wieder durch die klassische Ermittlungsarbeit. "Bei kriminellen Geschäften muss Geld fließen und die Ware muss zum Käufer kommen", sagt er. Das sei früher auch nicht anders gewesen. "Im Grunde ist es also gleich, ob der Deal im Darknet oder in der Telefonzelle ausgemacht wird."

Bei einem der größten Coups des LKA, bei dem ein internationaler Drogenring zerschlagen werden konnte, machten die Beamten eine kuriose Erfahrung: Die Beschuldigten aus dem Raum Deggendorf waren über die Festnahme fast erleichtert. "Sie sagten, sie hätten ständig Druck gehabt." Druck durch Kunden, die stets beste Ware haben wollten - und zwar sofort. "Die haben kaum mehr schlafen können", sagt Waldinger.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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