Cold Case:Mordanklage gegen Briten 44 Jahre nach der Tat

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Ein Schild mit der Aufschrift „Polizei“ hängt an einem Polizeipräsidium. (Foto: Roland Weihrauch/dpa/Symbolbild)

Ungeklärte Mordfälle legt die Polizei nicht zu den Akten, solange eine noch so geringe Chance zur Überführung des Täters besteht. In einem spektakulären Fall könnte einen britischen Rentner nun die Strafe für einen in der Jugend in München begangenen Mord ereilen.

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München (dpa) - Über vier Jahrzehnte nach einem brutalen Mord in München hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen mittlerweile 70 Jahre alten Briten erhoben. Der Mann soll in seiner Jugend um den Jahreswechsel 1978/79 einen damals 69-jährigen Münchner in dessen Wohnung aus Habgier mit einem kiloschweren Mörserstößel erschlagen haben. Der Rentner wurde von den britischen Behörden ausgeliefert und sitzt seit einem halben Jahr in Deutschland in Untersuchungshaft, wie Münchner Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft am Montag berichteten.

Mord verjährt im deutschen Strafrecht grundsätzlich nicht, doch dass die Ermittlungen nach über vier Jahrzehnten noch zu Festnahme und Anklage eines Verdächtigen führen, ist äußerst selten. „Eine Vielzahl an Zeugen ist schon gestorben“, sagte Stephan Beer, der Leiter der Münchner Mordkommission, der den Fall selbst „bemerkenswert“ nannte.

Demnach wurde das Opfer zuletzt in Begleitung eines jungen Engländers am 30. Dezember 1978 gesehen. Der Tote wurde am 2. Januar mit zertrümmertem Schädel in seiner Badewanne gefunden, offenbar hinterrücks erschlagen.

Die Polizei sicherte in der Wohnung damals drei Fingerabdrücke, außerdem ein Haar sowie eine Flüssigkeit auf dem Bettlaken. 2005 wurden im Labor aus diesen beiden Asservaten dank des Fortschritts der Kriminaltechnik DNA-Spuren extrahiert.

Bei einer neuerlichen Öffnung der Akten im Jahr 2018 glichen die Münchner Ermittler die Fingerabdrücke europaweit ab, erst 2021 gab es jedoch einen Treffer in Großbritannien.

Die anschließenden Ermittlungen führten schließlich auf die Spur des Briten, nach Beers Worten stimmen auch die DNA-Spuren überein. Der Mann wurde schließlich am 22. März vor seinem Haus in Großbritannien gefasst. „Er hat sich widerstandslos festnehmen lassen“, sagte Beer. Doch schweigt der Angeklagte nach Worten des Münchner Kripochefs. „Er äußert sich nicht als Beschuldigter.“ Aus der Wohnung gestohlen wurden damals laut Polizei mindestens 1000 Mark, außerdem ein Münzring und der Schlüssel.

Staatsanwältin Juliane Grotz, die stellvertretende Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I, lobte die gute Kooperation mit der britischen Justiz. Die dortigen Behörden reagierten demnach sehr schnell auf den Münchner Haftbefehlsantrag.

Sollte der Mann in Deutschland verurteilt werden, würde er anschließend wieder nach Großbritannien überführt und dort seine Strafe absitzen. Zumindest einige Zeugen sind noch am Leben, darunter damals mit dem Fall befasste Polizisten. Das Münchner Landgericht hat nach Angaben eines Sprechers noch nicht über die Zulassung der Anklage entschieden.

© dpa-infocom, dpa:231030-99-757860/3

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