Konstituierende Sitzung:Welch ein Tag

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In seiner Rede verneigte sich OB Marcus König vor Ulrich Maly. Und nicht nur in der Rede. (Foto: Giulia Iannicelli / Stadt Nürnberg)

Nürnberg hat einen neuen Oberbürgermeister, der kündigt aber gleich an, dass der alte wichtig bleibt. Und die Opposition bringt sich in Stellung

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Dass der Tag ein historischer werden würde, das war von vornherein klar, immerhin hat Ulrich Maly der Stadt Nürnberg seinen Stempel aufgedrückt in den vergangenen 18 Jahren und tritt nun zur konstituierenden Sitzung nur noch mit einem Grußwort in Erscheinung. Es ist dann auch regelrecht unwirklich, dem 59-Jährigen dabei zuzuhören, wie er hier ein bisschen über Max Weber und Verantwortungsethik räsoniert, dort das städtische "Erwartungsdämpfungsmanagement" streift ("ich weiß nicht, ob ich das Wort erfunden habe") und dazwischen allerlei malyeske Scherze einstreut, etwa den, dass er gar nicht wissen wolle, wo bei den Leuten nun all die gehortete "Hefe, die Nudeln und das Klopapier" lagern. Eine Rede, wie gemacht fürs Rhetorikhandbuch, lässig und launig und profund - und also genau so, wie man's von diesem Mann gewohnt ist. Und doch unterläuft ihm eine Fehlannahme, wie man sie wiederum gar nicht gewohnt ist von Ulrich Maly (SPD). Aber es ist eben ein historischer Tag.

Gut, der Ex-OB irrt sich nur hinsichtlich der Wetterprognose, aber auch das hat das Zeug, als Fußnote in die Stadthistorie einzugehen. Maly beginnt seine Rede damit, er habe fast einen Hauch von Nostalgie verspürt, als er den Historischen Rathaussaal betrat. Das indes sei nur ein Moment gewesen, die Sitzung nämlich beginnt mit der Verlesung einzelner Tagesordnungspunkte, die andeuten, dass diese Sitzung keine kurze werden wird. Nun kann man noch im Kopf haben, was Maly kürzlich der SZ über dergleichen gesagt hat ("Na ja, die Stunde sechs einer Stadtratssitzung ist immer scheiße"), und muss sich also nicht wundern, dass sich dieser Anflug von Wehmut nicht übermäßig breitmacht beim Ex-OB. Seine vormittägliche Bemerkung freilich, er werde am Nachmittag genüsslich auf seiner Terrasse sitzen, sich einen "eiskalten Weißwein" gönnen und an die Kollegen im Stadtrat denken, löst zwar neidiges Raunen im Plenum aus, zielt aber ins Leere. Am Montagfrüh war es in Nürnberg frühlingshaft schön, am Nachmittag dagegen dürfte Maly auf seiner Terrasse den regenverdünnten Weißwein etwas angewärmt haben. Es wurde saukalt und garstig in der Stadt - was dann doch eine schöne Pointe ist für einen Mann, der einiges Erstaunen ausgelöst hat mit seiner Ankündigung, mit 59 in die Politrente zu gehen.

Nun ist es nicht vergnügungssteuerpflichtig, nach Maly ans Mikrofon zu treten - Nürnberger Politiker, die heute Ministerpräsident sind, haben sich häufig im Überbieten versucht und sind daran oft gescheitert. Der neue OB Marcus König (CSU) versucht sich dann erst gar nicht im Überbieten, er leitet handfest durch seine erste Sitzung und trifft durchweg den richtigen Ton. Man müsste einen Tag freihalten, um Maly angemessen zu würdigen, sagt König. Aber er "verneige" sich vor dessen Leistung - und überreiche ihm als Geschenk die von ihm gern zitierte Bügelwäsche, die nun im Rathaus liegen geblieben sei. Nein, kleiner Scherz, Maly bekommt etwas, was er sich ins Zimmer hängen kann. Und vom Alterspräsidenten einen Werkzeugkasten, weil Maly doch, sagt OB König, "zwei linke Hände" habe: "Viel Spaß dabei!"

Es ist ein gelungener Tag für Nürnberg, trotz Schnürlregen, und das auch deshalb, weil der Grünen-Fraktionschef Achim Mletzko andeutet, dass sich die schwarz-rote Kooperation auf hinreichend Kritik wird einstellen müssen. In deren Vertrag sei keine Verkehrswende festgezurrt, die den Namen verdiene, sagt Mletzko. Überdies bekomme man "den Eindruck, dass sie sich vor harten Entscheidungen drücken". Ihre erste Bewährungsprobe allerdings besteht die Kooperation: Julia Lehner (CSU) wird ins Amt als Zweite Bürgermeisterin gewählt, Christian Vogel (SPD) ist künftig Dritter Bürgermeister. Beide bekommen mehr Stimmen als Schwarz-Rot Sitze hat.

Mit einem für seine Maßen fast pathetischen Wort geht der Ex-OB von der Bühne. "Nürnberg bleibt meine Stadt", sagt Maly. Er meine das "nicht besitzanzeigend, sondern liebevoll". Bei der Kulturhauptstadtbewerbung, kündigt der OB später an, werde Maly eine maßgebliche Rolle spielen.

© SZ vom 12.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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