Unterfranken:Bayerns dienstälteste Bürgermeisterin denkt nicht ans Aufhören

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Ihr halbes Leben lang ist Marianne Krohnen schon Bürgermeisterin. Als sie 1984 antrat, waren Frauen auf dem Posten noch ungewöhnlich. Längst aber gehört sie in der CSU zu den arrivierten Kräften. (Foto: Privat/oh)

Dabei war Marianne Krohnen nur eine Notlösung, als die CSU sie 1983 in dem kleinen Ort Geiselbach aufstellte.

Von Claudia Henzler, Geiselbach

Dass Marianne Krohnen nach 33 Jahren beinahe vollständig mit ihrem Amt verwachsen ist, kann man schon erkennen, wenn sie durch den Ort fährt. Mal winkt sie jemandem zu, mal hält sie kurz an, Fenster runter, "Na, wie geht's?" 2044 Einwohner hat Geiselbach, man darf davon ausgehen, dass Marianne Krohnen jeden persönlich kennt.

Denn sie ist seit 33 Jahren die Bürgermeisterin der kleinen Gemeinde. Auf eine so lange Amtszeit kann keine andere Frau in Bayern zurückblicken. Nur eine Handvoll Männer sind länger im Amt, allen voran Hermann Anselstetter aus Wirsberg (Landkreis Kulmbach), der 1978 erstmals gewählt wurde.

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Geiselbach liegt in einem weiten Tal im Kreis Aschaffenburg. Streuobstwiesen und Pferdekoppeln prägen die Landschaft, dahinter schwingen sich sanft die bewaldeten Hügel des Spessarts auf. Früher lebten dort Bauern und Handwerker, heute fahren viele Geiselbacher zur Arbeit nach Aschaffenburg oder Frankfurt. Hinter den letzten Häusern verläuft die Grenze nach Hessen, man fühlt sich den Nachbarn nah: Der Frankfurter trinkt Apfelwein aus Geiselbach, kommt zum Wandern, Radfahren und kehrt in der Teufelsmühle ein.

Als sich Krohnen 1983 zur Kandidatur entschloss, war das nicht nur in einer von der CSU dominierten Gegend wie dem Vorspessart ungewöhnlich. "Die 1500-Einwohner-Gemeinde spielt bei der Bürgermeisterwahl im März einen Vorreiter in Sachen Emanzipation", überschrieb das Main-Echo einen Bericht. Dabei klang es gar nicht nach Emanzipation, wie Krohnens Vorgänger Kilian Köbert die Kandidatin anpries. Der teilte den Mitgliedern der örtlichen CSU mit: "Der Ehemann von Marianne Krohnen ist aufgrund seiner Ausbildung in der Lage, seine Frau in allen fachlichen Fragen zu beraten und zu unterstützen."

Die inzwischen 65-jährige Rathauschefin, Typ kommunikativ und anpackend, verteidigt den früheren Bürgermeister: "So eine Aussage ist heute zum Lachen, aber damals musste sie getroffen werden, wegen der Bevölkerung." Denn die Leute hätten ja gedacht: Wie will eine Frau mit drei Kindern so einen Job machen? Fünf, 13 und 15 Jahre alt waren die damals.

Eigentlich sollte Krohnens Ehemann Kandidat werden

Noch aus einem zweiten Grund war Krohnen nicht sauer über die Bemerkung: Als Kandidatin war sie zweite Wahl. Der Amtsinhaber hatte sich ihren Mann Gunter als Nachfolger gewünscht. Der aber war Kämmerer der Verwaltungsgemeinschaft, zu der Geiselbach damals gehörte, und durfte nicht zusätzlich ehrenamtlicher Bürgermeister sein. Ein solcher wird zwar nicht schlecht bezahlt, die 3000 bis 4000 Euro Aufwandsentschädigung für eine Gemeinde dieser Größe liegen aber doch deutlich unter einem Amtsleitergehalt.

Für die Wahl am 18. März 1984 waren andere Kandidaten nicht in Sicht, also kam die Idee auf, dass es Krohnens Frau machen könnte, damals 32 Jahre alt, gelernte Verwaltungsfachfrau, und in Teilzeit bei der Verwaltungsgemeinschaft Schöllkrippen angestellt. "Es war für mich eine Herausforderung", sagt Marianne Krohnen. "Schon wegen der drei Kinder." Aber sie habe keine Zweifel gehabt, dass sie es schafft.

Wie anstrengend die nächsten Jahre für sie werden würden, war ihr da allerdings nicht klar. Sie nennt diesen Abschnitt rückblickend "den großen Kampf". Von ihrem Vorgänger hatte sie nämlich die Aufgabe übernommen, die Gemeinde in die Eigenständigkeit zurückzuführen. "Das war schlimm", sagt Krohnen heute.

Geiselbach hatte sich in den Siebzigerjahren mit sieben weiteren Gemeinden in der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Schöllkrippen zusammenschließen müssen. Die Geiselbacher wollten schon länger wieder raus aus diesem Konstrukt. Durchkämpfen musste das nun eine junge Frau gegen lauter männliche Kollegen in der VG. Die waren zwar alle Parteifreunde, aber die Gebietsreform, die Krohnen teilweise rückgängig machen wollte, war ja ebenfalls CSU-Politik. Und dann wurde ihr als ehemalige Mitarbeiterin der Verwaltung auch noch vorgeworfen, gegen die eigenen Kollegen zu arbeiten. Wie hält man diese Konflikte aus? "Das geht eigentlich nicht", sagt sie. Beziehungsweise: "Man braucht den unbedingten Willen."

Ein Vorteil war, dass sie als ehrenamtliche Bürgermeisterin ihre Zeit ziemlich frei einteilen konnte. Aber, sagt sie: "Das ging nur in einer guten Partnerschaft, und mit Eltern, die bereit waren, sich einzubringen." Tatsächlich war Krohnen gerade in den Anfangsjahren froh, dass sie sich mit ihrem Mann beraten konnte. Der ist inzwischen im Ruhestand und hat gerade mit einer der Töchter ein altes Fachwerkhaus renoviert. Man kann es sehen, wenn man rechts am Rathaus vorbei geht.

Auch sonst macht Geiselbach einen gepflegten Eindruck. Der Park in der Ortsmitte, an dem das Rathaus steht, wurde mit Geld aus dem Dorferneuerungsprogramm angelegt. "Das ging alles nur, weil wir das vor Ort begleitet haben", ist sich Krohnen sicher. "Als Anhängsel einer großen Verwaltungsgemeinschaft kann man das nicht leisten." Das sei ja der Sinn der Abspaltung gewesen: "Die Verwaltung vor Ort stärken, damit die Leute bleiben."

Bei einer Rundfahrt durchs Gemeindegebiet zählt Krohnen stolz auf, was Geiselbach zu bieten hat: zwei Kindergärten, davon einer mit Krippe, eine Grundschule - sogar mit Schwimmbecken -, neue Spielplätze, eine Bäckerei, einen Kaufladen, in der es von der Bluse bis zur Tütensuppen so ziemlich alles gibt. Ein Allgemeinmediziner praktiziert in Geiselbach, und eine Zahnärztin. Etwas oberhalb der Ortsmitte liegt ein kleines Gewerbegebiet und eine Neubausiedlung. Die Bauplätze waren schnell weg, sagt Krohnen, sie würde gerne noch mehr ausweisen.

Krohnen kann sich noch eine weitere Amtszeit vorstellen

Krohnen hat sich längst etabliert, der CSU-Landrat Ulrich Reuter lobt Krohnen als "beharrlich" und "eine der weiblichen Aktivposten der CSU bei uns in der Region". Geiselbach beschreibt er als "eine lebens- und liebenswerte Gemeinde". Eine Opposition gibt es so gut wie nicht. CSU und "Freie Bürger" traten auf einer gemeinsamen Liste an und holten 13 von 14 Sitzen.

Nur ein SPD-Kandidat hat es in den Gemeinderat geschafft. Der heißt Henry Sapper und fordert bisher recht einsam Perspektiven für die Ortsentwicklung. Auch wenn er zugibt, dass der Laden "im Großen und Ganzen" läuft. Dennoch kritisiert er "das Demokratieverständnis der CSU in Geiselbach: Es wird nichts zugelassen, was nicht Kirche oder CSU ist, zum Beispiel so eine Art Bürgerhaus, wo sich die Leute treffen können". Bis zur nächsten Wahl hofft er auf ein paar Mitstreiter. 2020 wird das sein. Marianne Krohnen kann sich vorstellen, dann wieder anzutreten.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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