Kommunalpolitik:Der Gegenspieler

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Im Augsburger Stadtrat regiert eine Kuschel-Koalition aus CSU, SPD und Grünen. Nur Volker Schafitel hält dagegen

Von Christian Rost, Augsburg

Ein große Koalition kann, auf Bundesebene wie im Kommunalen auch, ziemlich lähmend auf die Wähler wirken. Aber in Berlin hat man ja die CSU, die für Gezänk sorgt, und in Augsburg hat man: Volker Schafitel. Der Architekt ist 2014 in den Stadtrat gewählt worden und gehört als Freier Wähler einer Ausschussgemeinschaft mit Linke, ÖDP, Polit-WG und einem Parteilosen an. In Augsburg stellen die Koalitionspartner CSU und SPD mit 41 Sitzen schon eine Übermacht in dem 60-köpfigen Gremium. Dazu kommen noch sieben Sitze von den Grünen, die die Koalition als Juniorpartner mittragen. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) hat sie mit einer Art großen Umarmung alle an einen Tisch gebracht und könnte damit komfortabel und lautlos regieren. Wenn nur Schafitel nicht wäre.

Der 65-Jährige ist einer der wenigen im Stadtrat, der die Politik der schwarz-rot-grünen Kuschelkoalition kritisiert und hinterfragt. Und weil er das mit einer Vehemenz tut, wie eine Wespe auf der Kaffeehausterrasse auf die Kuchen der Gäste losgeht, hat sich mittlerweile ein regelrechter Kleinkrieg zwischen ihm und dem OB entwickelt. David gegen Goliath also. Das hat den Verwaltungsjuristen Gribl, sonst emotional eher unauffällig, dazu hingerissen, gegen Schafitel auszuteilen: "Man muss nur laut genug schreien, um Aufmerksamkeit zu gewinnen." Des weiteren attestiert ihm der OB, mit seinen "politischen Inszenierungen" nur auf "politischen Krawall" aus zu sein.

Was hat Schafitel, der wie ein Surfertyp daherkommt und gerne mit seiner Harley Davidson an den Ammersee fährt, getan, um Gribl aus der Fassung zu bringen? Einerseits bohrt er nach bei Themen, die die Stadt beschäftigen und die Rathausspitze nicht gut aussehen lassen: Im Referat des dritten Bürgermeisters Stefan Kiefer (SPD) wurde es versäumt, bei Bund und Land 28,5 Millionen Euro an Kita-Zuschüssen rechtzeitig zu beantragen. Nur weil der Landtag eilig eine Gesetzesänderung beschlossen hat, hält sich der Schaden für die Stadt mit nun etwa drei Millionen Euro noch in Grenzen, die sie zurückerstatten muss. Auch Umweltreferent Reiner Erben steht in der Kritik. Dass ausgerechnet ein Grüner an einem Bach Dutzende Bäume fällen lässt, weil durch die Wurzeln angeblich das kanalartige Bett beziehungsweise der Damm geschädigt werden könnten, hat viele Augsburger aufgebracht. Eben auch Schafitel, der mit einer Klage gegen die Maßnahme droht und meint, es hätte ausgereicht, das Bachbett zu stabilisieren.

Daneben gibt es noch einen bunten Strauß weiterer Themen, die den renitenten Stadtrat umtreiben. Die Sanierung des Theaters für rund 190 Millionen Euro - wobei die Stadt 90 Millionen Euro trägt und der Rest der Freistaat - hält er für überdimensioniert. Die Schuldenlast werde die Stadt bis ins Jahr 2039 lähmen, sagt Schafitel, und weil auch noch Altschulden für das Klinikum Augsburg abzuzahlen seien, bleibe der Kommune überhaupt kein finanzieller Spielraum mehr. Nur weil der Freistaat, der reiche Onkel aus München, die Trägerschaft für beide Einrichtungen übernehme, habe sich die Stadt zu teuren Abenteuern hinreißen lassen.

Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU). (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Schaftitel findet noch andere Punkte, wo er sticheln kann. In dieser Woche hat er bereits zwei Mal an den OB geschrieben: Weshalb städtische Reinigungskräfte bei "Burger King" in der Innenstadt die Freifläche reinigten und andere Hausmeistertätigkeiten erledigten? Wer die Kosten für einen angebliche Dienstreise des Umweltreferenten in dessen Studienstadt Buenos Aires bezahlt habe? Das alles sind berechtigte Fragen, auf die es bislang keine Antworten gibt. Doch es ist nicht allein diese Art Oppositionsarbeit, die Gribl auf die Palme bringt. Es sind auch die persönlichen Anwürfe Schafitels. Er hält dem OB vor, keine Diskussionen im Stadtrat zuzulassen und keine Entscheidungen zu treffen. Er übernehme ungeprüft Gutachtermeinungen und wolle nur Mitarbeiter um sich, "die ihm nach dem Mund reden". Es sei frustrierend, in einem Stadtrat zu sitzen, der nichts zu sagen habe, meint Schafitel und kündigt an, 2020 nicht mehr zu kandidieren. Der OB, der übrigens noch bei seiner ersten Wahl 2008 von Schafitel unterstützt wurde, wird ihm keine Träne nachweinen. Der 53-Jährige sagt, im Stadtrat werde sehr wohl "konstruktiv diskutiert", und verteidigt seine Entscheidung, zu bestimmten Themen Experten zu hören. "Meine Entscheidungen werden gründlich vorbereitet."

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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