Die wegen Kindesmisshandlungen in die Schlagzeilen gekommene urchristliche Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" hat Bayern endgültig verlassen und sich in Tschechien angesiedelt. Zum Jahreswechsel räumten die letzten der insgesamt 140 Mitglieder der Sekte ihr bisheriges Domizil, das ehemalige Zisterzienserinnen-Kloster Klosterzimmern im Landkreis Donau-Ries. Sieben Kinder, die bei den "Zwölf Stämmen" mit Ruten gezüchtigt und deshalb vom Kreisjugendamt in Obhut genommen worden waren, leben aktuell noch bei Pflegefamilien in der Umgebung.
Jahrelang hatte die Glaubensgemeinschaft die Behörden beschäftigt. Die erwachsenen Mitgliedern wollten ihre Kinder nicht in öffentliche Schulen schicken und sahen es als probate Erziehungsmethode an, die Buben und Mädchen vom zweiten Lebensjahr an zu schlagen. 2002 holte die Polizei die Kinder trotz massiven Widerstands der Eltern ab, um die Schulpflicht durchzusetzen.
Schließlich wurde es der Sekte gestattet, selbst eine sogenannte private Ergänzungsschule zu betreiben, in der dann weder Sexualkunde noch die Evolutionstheorie im Unterricht vorkamen. Die Schulaufsicht erkannte die Mängel, ließ die "Zwölf Stämme" aber gewähren, die stetig wuchs und auch im mittelfränkischen Wörnitz einen Standort aufbaute. In Nördlingen betrieb sie ein Café mit Produkten aus eigenem Anbau.
2013 eskalierte die Situation nach Meldungen über Kindesmisshandlungen. Zehn Aussteiger hatten davon berichtet. Demnach würden sich die Erzieher bei den "Zwölf Stämmen" auf das Neue Testament berufen: "Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er. Er schlägt mit der Rute jeden Sohn, den er gern hat. Haltet aus, wenn ihr gezüchtigt werdet." (Hebräer 12,6) Die Aussteiger sprachen von "Gehirnwäsche und Prügel, um den Willen der Kinder zu brechen". Wieder rückte die Polizei an und nahm 24 Kinder aus der Sekte heraus in Obhut. Das Jugendamt brachte sie in Heimen und bei Pflegefamilien unter. Der Großteil der Kinder ist inzwischen volljährig oder durfte aufgrund von Gerichtsentscheidungen zu den Eltern zurück.
Eine prügelnde Lehrerin der "Zwölf Stämme" wurde vom Landgericht Augsburg wegen gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu zwei Jahren Haft verurteilt. Laut ihrem Geständnis hatte die 56-Jährige ihre Schüler mit Ruten geschlagen. Ein Kind wurde bis zu achtmal am Tag misshandelt. Ein Bub bekam 30 Schläge, weil er stotterte oder falsch vorlas. Anhängig bei Gericht sind noch Verfahren gegen zwei weitere Sektenmitglieder, die ebenfalls mit Ruten Kinder geschlagen haben sollen. In einem ersten Prozess kamen die Angeklagten mit Bewährungsstrafen davon. Das Urteil wurde jedoch vom Oberlandesgericht kassiert, der Fall muss neu verhandelt werden.
Sekten-Aussteiger über "Zwölf Stämme":Gedrillt zu willenlosen Jüngern Gottes
Robert Pleyer war Mitglied der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme". In einem Buch berichtet der Aussteiger, wie Kinder misshandelt werden. Es geht auch um seine eigene Tochter.
Im Landratsamt Donau-Ries sieht man den Umzug der Sekte nicht mit Erleichterung, sondern mit Sorge. In Tschechien ist die körperliche Bestrafung von Kindern nicht vollständig verboten. Gabriele Hoidn, Sprecherin der Kreisbehörde, befürchtet, dass die Sekte nun jeglicher Kontrolle entzogen ist.