Bei Sonnenschein und Niedrigwasser lockt die Isar besonders am Wochenende Schwimmer und Bootfahrer. Doch viele unterschätzen die Gefahr. Das Stauwehr des Isarkraftwerks bei Bad Tölz ist für einen Kanufahrer nun zur tödlichen Falle geworden. Der 43-Jährige war vergangenen Samstagabend bei dem Versuch, das Wehr mit seinem Kanu zu durchfahren, in der Wasserwalze hinter den Schleusen gekentert und dabei ertrunken. Es ist der bisher schwerste von bereits vier Unfällen an dem Wehr in diesem Sommer.
Dabei gilt unter geübten Paddlern: Technische Anlagen dieser Art sind viel zu gefährlich, als dass man sie mit dem Boot einfach durchfahren könnte. Normalerweise käme auch niemand auf die Idee, das bei dem Stauwehr zu versuchen. Die Anlage ist in der Regel geschlossen und nicht befahrbar. Erst seit sich unlängst oberhalb des Wehrs eine Baustelle befindet, für die das angestaute Wasser abgelassen werden musste, sind die Schleusentore geöffnet. Die Wasserwacht hatte deshalb mit Warnhinweisen darum gebeten, die Isar an der Baustelle zu verlassen und erst hinter der Anlage wieder ins Wasser zu gehen.
Aber die Warnhinweise wurden mehrmals ignoriert. So kenterte bereits vor zwei Wochen ein Mann mit seinem Boot in der Wasserwalze der Wehranlage. "Da haben wir gedacht, das war vielleicht nur Dummheit", sagt Heinz Eger, Einsatzleiter der Wasserwacht Bad Tölz. Vergangenen Donnerstag und ebenfalls am Samstag noch vor dem tödlichen Unglück kam es dann zu zwei weiteren Unfällen an dem Stauwehr. "Da haben wir gemerkt, jetzt häufen sich die Idioten", fasst Eger zusammen.
Die "Idioten" sehen das allerdings ganz anders: Zwei der am Samstagmittag verunglückten Bootsfahrer aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck üben scharfe Kritik. Sie waren zu dritt in zwei Booten durch die Schleuse gefahren und in der Wasserwalze hängen geblieben. Auf die Gefahr an dieser Stelle habe lediglich ein verblasstes Schild direkt vor dem Wehr hingewiesen, andere Warnschilder wie etwa entlang der Amper hätten sie nicht gesehen.
Ein 32-Jähriger, der schließlich mit einem Hubschrauber per Seilwinde von einem Schleusenpfeiler gerettet wurde, sagte am Montag, dass sie zwar um Hilfe gerufen hätten, dies aber von den Spaziergängern ignoriert worden sei. "Die haben uns nur fotografiert", sagte der Verunglückte, dessen Name der Redaktion bekannt ist. So habe es über eine halbe Stunde gedauert, bis sie unverletzt aus der Wasserwalze gerettet worden seien.
"Wir haben schon viel zu viel beschildert"
Den Einwand, es habe zu wenige Warnungen vor dem Wehr gegeben, lässt Ingo Roeske, der stellvertretende Landesvorsitzende der Wasserwacht Bayern, nicht gelten: "Wir haben schon viel zu viel beschildert. Mit ein bisschen Menschenverstand weiß man , dass man nicht durch so eine riesige Anlage fährt."
Dass die verunglückten Bootsfahrer die Warnhinweise missachtet haben, findet Roeske tragisch, aber auch "extrem leichtsinnig". Dennoch haben die Wasserwacht und die Stadt auf die Vorfälle reagiert. Seit Sonntag ist die Ausstiegsstelle vor dem Wehr nun angeblich noch besser gekennzeichnet. An der Baustelle sind Bauzäune in das Wasser gestellt worden, um die Bootfahrer an der Weiterfahrt zu hindern. An der Wehranlage selbst hat man Rettungsringe und Seile angebracht. Der Tölzer Bürgermeister Josef Janker sagt: "Mehr geht nicht."
Gerade der Sommer ist für die Wasserwacht stets eine arbeitsreiche Zeit. Die Zahl der Ertrunkenen bleibt seit Jahren konstant, 2012 waren es insgesamt 75 Menschen. Die Mehrzahl verunglückt in Seen und Flüssen - dort vor allem an technischen Bauwerken, wie eben dem Stauwehr bei Bad Tölz. "Ich glaube, vielen Menschen fehlt der Respekt vor diesen Kräften", sagt Janker. "Wenn man an dem Wehr steht und das tosende Wasser sieht, ist das schon ein beklemmendes Gefühl."