Kabinett in Garmisch:Seehofers Besuch bringt keinen Durchbruch

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Der Garmischer Bürgermeister will höher und enger bauen, der Ministerpräsident die Herzen gewinnen - und die Bauern geben noch immer nicht nach.

Heiner Effern

Die beiden Männer mit der Mission Olympische Winterspiele stehen Seit' an Seit' im Baustellendreck. Hinter Ministerpräsident Horst Seehofer und dem Garmisch-Partenkirchener Bürgermeister Thomas Schmid wehen die bayerische und die deutsche Fahne, als ob sie die Bedeutung der Bewerbung 2018 nochmals betonen wollten. Dahinter ziehen dunkle Wolken über die Gipfel der Alpspitze und der Zugspitze. "Es ist ein historischer Tag", sagt der Bürgermeister.

Horst Seehofer: Horst Seehofer tagte mit seinem Kabinett in Garmisch-Partenkirchen. (Foto: ag.ddp)

Doch das trifft nur auf den Spatenstich für die Garmischer Umgehung, den Kramertunnel, zu, für den der Ministerpräsident schon morgens um 9 Uhr an den Fuße des Bergmassivs gekommen ist. Denn in den festgefahrenen Streit um die Grundstücke für die Olympiabewerbung hat auch der Besuch Seehofers keine Bewegung gebracht.

Wohl wissend, dass er durch einen Tagesausflug mit seinem Kabinett die Grundstücksbesitzer, darunter viele Bauern, nicht umstimmen kann, gibt Seehofer schon am Vormittag im blauen Catering-Zelt mit einem dampfenden Pappbecher vor sich die Losung für den Tag aus: "Wir werden das klug und in aller Ruhe angehen."

Eine Stunde später im Rathaus nach dem Eintrag ins Goldene Buch versucht er, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen: Es sei wichtig, "mit Klugheit und Gelassenheit vorzugehen und nicht nach den Arbeitsanweisungen durch die Medien". Nach der Kabinettssitzung betont er, dass man die Gespräche ohne Hektik weiterführen werde. Es gelte, den betroffenen Grundstückseigentümern mit Respekt zu begegnen, sagte Seehofer. "Das sind keine Schachfiguren. Wir nehmen sie und ihre Alternativvorschläge sehr ernst."

Von seiner Mitte Juli ausgesprochenen Forderung, bis zum Kabinettsbesuch müssten in Garmisch alle Probleme gelöst sein, ist nichts mehr zu hören. Man müsse nun den Dialog fortsetzen, sagt er immer wieder. Und wirbt um Vertrauen: Das Kabinett werde ein Olympia-Gesetz beschließen, das den Besitzern die volle Wiederherstellung ihrer Grundstücke nach den Spielen garantiere. "Wir wollen nicht über Ihre Heimat verfügen", wendet er sich direkt an die Betroffenen.

Seehofer versucht auch die Brisanz der Ministerratssitzung im Werdenfelser Land auf dem Höhepunkt des Streits um die Grundstücke umzuinterpretieren. Es handle sich um "eine routinemäßige Kabinettssitzung außerhalb von München", wie es sie auch schon in anderen Bezirken gegeben habe. Schwerpunkt sei "die Situation in ganz Oberbayern".

Ob er heute mit den betroffenen Bauern sprechen werde, wird Seehofer gefragt. "Ich habe gerade gesagt, warum wir hier sind", antwortet er knapp. Und fügt später hinzu: Gespräche mit den Bauern schließe er künftig nicht aus, sage sie aber nicht zu. Es gehe aber nicht nur um die Grundstücke, "sondern darum, die Herzen der Menschen für die Olympischen Spiele zu gewinnen". Er sei sehr zuversichtlich, "dass wir die Bewerbung am Ende zum Erfolg führen werden."

Die Beschwörung von Ruhe und Gelassenheit und die Ankündigung von respektvollen Gesprächen kommt nach dem Gespräch von Staatskanzleichef Siegfried Schneider mit Grundstücksbesitzern in der vergangenen Woche nicht überraschend. Schon dort erklärten ihm die Bauern, deren Wiesen und Äcker die Olympia-Bewerber für das Athletendorf und für einige Wettbewerbe dringend benötigt, dass die Situation völlig festgefahren sei. Schneider betonte am Dienstag, dass er weiter eng mit den Landwirten kooperieren wolle. Und steckt den zeitlichen Rahmen ab: Es sei das Ziel, "bis spätestens Ende August eine überarbeitete, von den Betroffenen mitgetragene und sportpolitisch aussichtsreiche Konzeption für das Snow-Village und das Mediendorf vorzulegen".

Zuversichtlicher Bürgermeister

Das klingt ehrgeizig, denn auch ein erneutes Treffen der Grundstücksbesitzer und der Initiativgruppe aus Garmischer und Partenkirchener Vereinen, die als Alternativ-Standort einen Golfplatz der US-Streitkräfte am Ortseingang vorschlugen, brachte am Montagabend keinen Fortschritt. "Das hätte alles anders laufen können", sagt Anna-Maria Reindl, die selbst ein Grundstück abgeben soll. "Aber der Bürgermeister ist mit unseren Grundstücken hausieren gegangen, ohne uns vorher zu fragen. Der hat in München gesagt, er hat hier alle im Griff. Und die sind auf ihn hereingefallen." Auch der Besuch von Ministerpräsident Horst Seehofer werde daran nichts ändern. "Er könnte bei jedem persönlich klingeln, auch das würde nichts nützen."

Die Grundstücksbesitzer haben am Montagabend für die Ortsteile und Garmisch je zwei Mittelsmänner bestimmt, die weitere Gespräche führen sollen. "Mit Bürgermeister Schmid spricht keiner mehr", sagt Anna-Maria Reindl. Wenn man hier aufgewachsen sei wie der Bürgermeister, sollte man wissen, sagt Anna-Maria Reindl, "welche Sprache hier gesprochen wird".

Bürgermeister Schmid betont, von einem Gesprächsboykott nichts zu spüren. "Schauen Sie in meinen vollen Terminkalender", sagt er am Rande der Kabinettssitzung. Er sei zuversichtlich, dass die Gemeinde die nötigen Grundstücke erhalten werde. Während die Staatsregierung auf Bitten der Grundstücksbesitzer prüft, ob nicht doch der US-Golfplatz eine Alternative böte, führte Schmid Medienleute über das Gelände, auf dem das Athletendorf entstehen soll.

Die Botschaft kommt bei den Bauern so an: Sie sollen sich nicht so wichtig nehmen. Schmid sagte, auch mit den jetzt schon zugesagten Grundstücken sei ein Dorf möglich, es müsse nur enger und höher gebaut werden. Von den Grundstücksbesitzern wird wieder als Provokation gesehen. "Das ist wieder einer seiner Alleingänge. Es gibt ja viele Alternativen im Ort. Doch es hat von Anfang an keinen Plan, kein Konzept gegeben. Es ist eine Katastrophe", sagt Anna-Maria Reindl.

Für Elisabeth Koch, die Fraktionsvorsitzende der CSU, geht die Kernfrage aber über den Streit, ob die Grundstücke zur Verfügung stehen, hinaus. "Es muss jetzt geklärt werden: Will der Ort die Spiele überhaupt? Und zu welchem Preis? Was bringen die Spiele dem einzelnen Bürger, auch langfristig gesehen?" Eine objektive Abwägung der Vor- und Nachteile habe es bisher nicht gegeben. "Wir müssen entscheiden, wo wollen wir mit unserem Ort hin."

© SZ vom 28.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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