Kabinett:Aufstand gegen den Umzug

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Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums sehen Arbeitsfähigkeit ihres Hauses in Gefahr

Von Dietrich Mittler, München

Der vom Kabinett beschlossene Umzug des Gesundheitsministeriums nach Nürnberg wird zunehmend zum kontroversen Politikum. Oppositionspolitiker, allen voran die Grüne Claudia Stamm, sehen in der Verlagerung des Ministeriums eine "pure Verschwendung von Steuermitteln". Der Umgang des Kabinetts mit den Ministeriumsmitarbeitern sei "respektlos". Diese wiederum wollen nun ihr Möglichstes tun, um den Umzug doch noch zu verhindern. Ministerin Melanie Huml, hausintern in der Kritik, weil sie in der Kabinettsklausur in St. Quirin mit für den Umzug gestimmt hatte, wiederholte am Donnerstag: "Niemand wird gegen seinen Willen versetzt!"

Ob dies insbesondere die aufgebrachten Mitarbeiter im Haus beruhigt, ist derzeit fraglich. Der SZ liegen Protestschreiben vor, die Mitglieder der Personal- sowie der Schwerbehindertenvertretung an Landtagsabgeordnete, die Gewerkschaft Verdi, den Bayerischen Beamtenbund sowie auch an Ministerpräsident Horst Seehofer und die Landtagspräsidentin Barbara Stamm geschickt haben. Die Briefe sind im Inhalt unterschiedlich, lassen es aber an Deutlichkeit nicht missen. Die Arbeit des Gesundheitsministeriums werde unter den Folgen des Umzugs leiden, warnen die Unterzeichner. "Durch den zu erwartenden Wechsel vieler erfahrener Kolleginnen und Kollegen wird es zu einem deutlichen Know-how-Verlust kommen", heißt es etwa im Brief an den Landtagsausschuss für Gesundheit und Pflege. Dieser Verlust werde sich "jedenfalls kurz- und mittelfristig auf die Aufgabenerfüllung auswirken" - und das in einem Zeitraum, "in dem viele wegweisende Gesetzgebungsverfahren aus dem gesamten Themenspektrum des Hauses auf Bundesebene" anstünden.

Leiden, so prognostizieren die Verfasser, werde Bayerns gesamte Gesundheitspolitik: "Die vom Landtag und insbesondere vom Ausschuss für Gesundheit und Pflege und allen darin vertretenen Abgeordneten zu Recht zeitnah und umfassend erwartete Zuarbeit wird durch die Distanz zwischen München und Nürnberg deutlich erschwert, wenn nicht sogar infrage gestellt." Kurzfristige Terminwahrnehmungen durch Mitarbeiter im Landtag seien damit nicht mehr zu gewährleisten. Der SPD-Abgeordnete Herbert Kränzlein spricht daher von einer "glatten Fehlentscheidung" des Kabinetts.

"Das ist ein Schildbürgerstreich ersten Ranges", sagte Kränzlein. Jede andere Regierung verfolge das Ziel, ihre Ministerien am Regierungssitz zu haben, um eine rasche Kommunikation mit den Mitarbeitern des Hauses zu gewährleisten. Ministerpräsident Horst Seehofer und seinem Kabinett liege offenbar nichts daran. "Der durch den Umzug zu erwartende Pendelverkehr ist reine Zeitverschwendung", sagte Kränzlein. So sieht das auch die Belegschaft des Gesundheitsministeriums: Schließlich säßen "alle zentralen Akteure des Gesundheits- und Pflegewesens" - seien es Kammern, Kranken- und Pflegekassen, Vertragsärztliche Vereinigungen und Verbände - in der Landeshauptstadt.

Ihre Sorgen haben die Beamten auch in ihrem Schreiben an Horst Seehofer formuliert. Darin bitten sie den Kabinettschef eindringlich, "im Interesse an der Fortsetzung einer schlagkräftigen und zukunftsweisenden bayerischen Gesundheits- und Pflegepolitik" die Entscheidung über die Verlagerung des Ministeriums "zu überdenken". Die Staatskanzlei bestätigte den Empfang des Briefes, wollte sich aber nicht dazu äußern. Klar ist bereits jetzt: Der Umzug wird teuer. Schon deshalb, weil der Mietvertrag für das jetzige Ministeriumsgebäude in Nähe des Münchner Ostbahnhofs bis zum 31. Juli 2024 läuft und nicht gekündigt werden kann. Jährliche Kosten: mehr als 1,5 Millionen Euro, wie Claudia Stamm erfuhr.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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