Justiz:Es muss nicht immer Robe sein

Lesezeit: 1 min

Anwalt braucht in Zivilprozess vorm Amtsgericht keinen Talar zu tragen

Von Ekkehard Müller-Jentsch, München

Rechtsanwälte müssen in Zivilverhandlungen vor Amtsgerichten keine Roben tragen. Der 1. Senat des Oberlandesgerichts München hat am Donnerstag keine Zweifel aufkommen lassen, dass ein Augsburger Amtsrichter im spektakulären Robenstreit mit dem Münchner Rechtsanwalt Norman Synek rechtswidrig gehandelt hat. Der schwäbische Richter hatte vor einem Jahr den Münchner Juristen wie einen Schulbuben wieder nach Hause geschickt, weil der den schwarzen Amtskittel zur Verhandlung nicht mitgebracht hatte. Der Streitfall, den das Landgericht Augsburg noch zu Gunsten des eigenen Kollegen entschieden hatte, trifft in Richter- und Anwaltskreisen auf große Beachtung.

Ob Synek aber auch Schadenersatz für die zusätzlichen Fahrtkosten bekommen würde, weiß der Senat noch nicht so genau. "Was der Augsburger Amtsrichter gemacht hat, war objektiv falsch." Wie der Vorsitzende Richter Thomas Steiner darlegte, habe der Augsburger Amtsrichter damit auf jeden Fall fahrlässig gehandelt - doch für eine Haftung liege die Hürde noch höher, da müsse es nämlich eine "grobe" Fahrlässigkeit gewesen sein. In diesem Punkt habe der Senat noch Klärungsbedarf, sagte der Vorsitzende. Anwalt Synek erklärte daraufhin, dass er damit zufrieden sei und es ihm nicht aufs Geld ankomme. Doch einen kleinen Seitenhieb auf den Augsburger Richter gönnte er sich noch: "Hat er einen Roben-Fetisch"?

Der OLG-Senat hatte erläutert, dass der Gesetzgeber die streitige Frage bewusst nicht geregelt habe. Vielmehr sei es der anwaltlichen Standesorganisation überlassen worden. In Paragraf 20 der anwaltlichen Berufsordnung steht: "Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht." Das von Augsburg angeführte "Gewohnheitsrecht" sei also klar durchbrochen, sagt der Senat - so etwas unterliege doch auch dem Wandel der Gesellschaft.

Der Senat zeigte deutlich seine Verwunderung, dass der Amtsrichter damals die Verhandlung wegen der fehlenden Robe nach zwei Minuten abgebrochen hatte. "Muss das so sein, wie er es gemacht hat?", fragte Steiner. Er nannte dieses Verhalten "überschießend". Auf Vorschlag des Gerichts einigen sich beide Seiten auf den Vergleich, den Streit damit gütlich zu beenden - vorausgesetzt, dass Augsburg das akzeptiert. Sonst gibt es am 11. Februar 2016 ein Urteil.

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: