Junge Menschen vor der Wahl:Alles ein bisschen anders

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Die OB-Kandidaten Eva Weber, Martina Wild, Claudia Eberle und Dirk Wurm (von links) erhielten Plakate mit jugendlichen Forderungen. (Foto: Birgit Renner)

Wenn eine Jugendorganisation wie der Augsburger Stadtjugendring die Oberbürgermeister-Kandidaten einlädt, dann wird nicht einfach diskutiert, sondern auch gespielt. Und die Teilnehmer müssen auf ungewöhnlichen Sitzgelegenheiten Platz nehmen

Von Florian Fuchs, Augsburg

Es sind schon etwa 90 Minuten vergangen. Die vier Kandidaten fürs Oberbürgermeisteramt in Augsburg, die der Stadtjugendring (SJR) zu diesem Abend eingeladen hat, haben Kinderfotos von sich gezeigt, sie sind auf der Bühne gehüpft und haben die alte Quizshow "1, 2 oder 3" gespielt. Gerade erläutert der Kandidat der SPD, Dirk Wurm, wie er das Radfahren in der Stadt sicherer machen will, da beugt sich Eva Weber (CSU) zu ihrer Konkurrentin von den Grünen, Martina Wild, und sagt leise: "Ich kann bald nicht mehr sitzen. Das ist so hart hier."

Ja, es war ein ungewöhnlicher Abend mit einer ungewöhnlicher Bühne und auch ungewöhnlichen Sitzgelegenheiten für die OB-Bewerber. Die Kandidaten nahmen auf kleinen Sitzwürfeln Platz, sie spielten Spiele, die Fragerunde nannte sich "Fishbowl". Es ist alles etwas anders, wenn Jugendorganisationen wie der Augsburger Stadtjugendring zu einer OB-Wahlrunde einladen. Da wird nicht einfach diskutiert, da gibt es auch keinen Schlagabtausch zwischen den Konkurrenten. "Wir wollten", so formuliert es Projektleiter Andreas Keilholz, "Jugendlichen Politik und die Politiker näherbringen." Und das läuft bei Jugendlichen und Erstwählern halt nun einmal anders ab.

Das geht schon damit los, dass in den Pausen zwischen den einzelnen Programmpunkten zwei Rapper das Geschehen zusammenfassen. Es geht aber auch darum, dass sich die Kandidaten ein wenig locker machen. "Sie sollten ein bisschen mehr von sich zeigen als nur ihre politischen Inhalte", sagte SJR-Vorstand Jonas Riegel zum Ende des Abends, an dem 250 vor allem junge Menschen ihre OB-Kandidaten kennenlernen durften. Die Gäste haben dabei zum Beispiel gelernt, dass die Bewerberin von Pro Augsburg, Claudia Eberle, als Jugendliche Kunstradfahrerin war. Die Zuhörer haben allerdings nicht gelernt, was das heute für die Politik von Eberle bedeutet. Auch die anderen drei Kandidaten zeigten auf Fotos zwar verrückte Kinderfrisuren und ihre liebsten Hobbys. Dass sie dabei aber verpassten, den Jugendlichen zu erläutern, warum sie ihre Erfahrungen so geprägt haben, dass sie heute als Politiker für verschiedene Themen besonders brennen - das haben nach der Veranstaltung einige Gäste bemängelt.

"Das ist natürlich eine andere Atmosphäre hier als bei gewöhnlichen Wahlkampfterminen", sagte etwa Eva Weber, und die vier Politiker mussten schon erst einmal etwas auftauen, um dem Format gerecht zu werden. Beim zweiten Programmpunkt des Abends gelang das schon besser: Der Moderator stellte Fragen, die Kandidaten mussten sich für 1, 2 oder 3 entscheiden: Wie teuer ist das günstigste Appartement im Augsburger Studentenwohnheim "Studiosus 5"? 425 Euro für knapp 22 Quadratmeter. Was kostet ein Schülerticket in Augsburg? 51,50 Euro, was nur der SPD-Kandidat Wurm richtig beantwortete. Es ging darum zu zeigen, wer sich auskennt, wenn es um die Belange junger Menschen geht: Die Kandidaten wussten lange nicht alles, lagen aber am Ende hinter Eva Weber in etwa gleich auf.

Es habe Spaß gemacht, weil es eine schöne Abwechslung zum Wahlkampfalltag gewesen sei, sagte hinterher die Grünen-Kandidatin Wild. "Es war gut, aber mir hat ein bisschen der Schlagabtausch mit den anderen Kandidatinnen gefehlt", bilanzierte Dirk Wurm. Er hätte gerne an der ein oder anderen Stelle erwidert, warum die Statements der Konkurrentinnen seiner Ansicht nach falsch sind, aber auf Konfrontation war der Abend nicht angelegt. Zunächst einmal sollten alle Kandidaten aus Kisten Türme bauen, um ihre wichtigsten Themen vorzustellen: CSU-Kandidatin Weber wollte die Menschen leben lassen, wie sie es wollen, die Grüne Martina Wild stellte den Klimaschutz in den Vordergrund. SPD-Kandidat Wurm, der wie Weber und Wild zu den aussichtsreichsten Kandidaten in der Stadt zählt, nannte die Friedensstadt Augsburg als Symbol für den sozialen Frieden, der Grundlage allen Zusammenlebens in der Stadt sei.

Jetzt ging es also in die politischen Sachthemen, da fühlten sich die Kandidaten merklich sicherer, auch wenn sie dabei lange auf ihren Sitzwürfeln hocken mussten. Plötzlich stürmten allerdings junge Aktivisten von "Fridays for Future" (FFF) die Veranstaltung, was insofern ganz gut passte, als nun die sogenannte Fishbowl an der Reihe war, die Fragerunde. Jugendliche durften nach vorne auf die Bühne kommen und ihre drängendsten Themen loswerden: Die FFF-Sprecher wollten gleich einmal wissen, warum Augsburg nicht mehr für den Klimaschutz tut. Es ging aber auch um mehr Freizeitflächen, um mehr Beteiligung für Jugendliche und um den Nahverkehr.

Und weil die Antworten auf solche Fragen doch recht schnell wieder in Vergessenheit geraten, hat der Stadtjugendring alles protokolliert. Die Organisatoren schicken den Kandidaten auch zusätzliche Fragen, für die am Ende keine Zeit mehr war. Es ist bayernweit eine der aufwendigsten Kampagnen, die der Stadtjugendring Augsburg zur Kommunalwahl führt: Neben der Bewerberrunde hängen auch überall in der Stadt Plakate mit Forderungen von Jugendlichen. Aber mit der Wahl wird die Kampagne noch nicht zu Ende sein. Die Politiker sollen sich schon messen lassen an ihren Worten, in ein paar Monaten wird deshalb Bilanz gezogen, was sie angepackt haben - und was nicht.

© SZ vom 02.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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