Horst Seehofer in China:Im Land des Weglächelns

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Im Patentamt bereitet man Ministerpräsident Seehofer einen freundlichen Empfang. Doch sobald es um Fragen zurm Urheberrecht geht, ist es vorbei mit der Gemütlichkeit.

Annette Ramelsberger, Peking

Es gibt ganz wenige Situationen, in denen es selbst Horst Seehofer die Sprache verschlägt. Am Dienstag war es so weit. Der bayerische Ministerpräsident hatte gerade unfallfrei die Treffen mit dem chinesischen Vizepremier und dem Außenminister hinter sich gebracht, als er zu einem fast noch delikateren Termin aufbrach.

Eine Erkenntnis, die Horst Seehofer auf seiner Chinareise macht: Bayern ist offenbar doch nicht der Mittelpunkt der Welt. (Foto: Foto: ddp)

Er wollte im chinesischen Patentamt den Schutz des geistigen Eigentums fordern - in einem Land, in dem man im Kaufhaus um die Ecke den nachgebauten neuen iPod für 20 Euro kaufen kann und die nachgemachte Rolex für fünf. In einem Land, in dem kleine deutsche Unternehmer klagen, der chinesische Partner sei ein Jahr lang allerliebst, dann aber habe er genügend Einsicht in die Geschäfte und dränge einen wieder raus.

Das chinesische Patentamt, mit 9000 Mitarbeitern das größte der Welt, gilt als nicht gerade fürsorglich im Umgang mit den Rechten ausländischer Unternehmen. Seehofer wappnet sich, hinter ihm eine Armada von Mittelständlern - und dann ist er verwirrt. Wang Wei singt.

Seit fast 20 Jahren arbeitet die zierliche Chinesin beim Patentamt. Nun trällert sie für ihn: "Im Frühtau zu Berge wir ziehn, fallera. Es grünen die Wälder, die Höhn, fallera."

Wang Wei hat in Bayern studiert, sie hat "ein tiefes Gefühl" für das Land, sagt sie und strahlt. Hinter ihr prangt über die gesamte Breite des Saals ein dunkelblaues Transparent: "Wir heißen Herrn Ministerpräsident des Freistaats Bayern mit der bayerischen Delegation herzlich willkommen."

Seehofer hat sich noch nicht erholt, als schon der Präsident des Patentamtes an ihn herantritt. Professor Tian Lipu sagt "Grüß Gott", und er trägt einen Trachtenjanker. Mit Hirschhornknöpfen. Er freue sich über den Besuch, und besonders freue er sich, dass er seinen Trachtenjanker anziehen könne. Tian hat an der TU München studiert. Er kennt sich aus.

Als das Wort CSU fällt, sagt er, auf Deutsch: "Sehr wichtig." Und mit Blick auf Seehofer: "Sehr wichtiger Mann." Seehofer findet gerade seine Sprache wieder: "Da muss ich hierher fahren, damit ich das auch mal höre", sagt er und grinst.

Doch was Seehofer und seinen Leuten im Patentamt vorgeführt wird, erinnert stark an chinesische Kulissenmalerei - hinter dem ersten Bild gibt es noch ein anderes. Und nur das erste ist hübsch anzuschauen. 26 Monate dauert es in China von der Anmeldung eines Patents bis zur Erteilung. 26 Monate, in denen der ausländische Unternehmer alle Konstruktionsunterlagen offenlegen muss.

Deutschlands Botschafter Michael Schaefer stellt eine Frage, die so wirkt, als hätte er nicht nur theoretisch Kenntnis von solchen Vorkommnissen. "Wie reagieren Sie darauf, wenn der chinesische Partner eines Joint Venture das geistige Eigentum des ausländischen Partners benutzt, um damit ein eigenes Patent anzumelden?"

Da ist die bayerische Gemütlichkeit dann vorbei. Professor Tian erklärt stoisch, China habe erkannt, wie wichtig es sei, geistiges Eigentum zu schützen. Aber es brauche Zeit: Der Begriff habe vor 1985 noch nicht mal in den chinesischen Wörterbüchern gestanden.

Bayern ist doch nicht der Mittelpunkt der Welt

Es sind Eindrücke der etwas anderen Art, die der bayerische Ministerpräsident bei seiner ersten großen Auslandsreise sammelt. Der wichtigste: Bayern ist vielleicht doch nicht der Mittelpunkt der Welt - auch wenn das der Überzeugung des großen Vorsitzenden selig Franz Josef Strauß widerspricht.

Seehofer hat gerade die Siemens-Zentrale in Peking besucht, hat sich erklären lassen, dass Städte unter 1,5 Millionen Einwohnern wie zum Beispiel München in China als Kleinstädte nicht wirklich erwähnenswert sind. Da seufzt Seehofer ein wenig: "Und Franz Josef Strauß sagte immer: Außerhalb Bayerns gibt es kein Leben."

FJS begleitet ihn auf dieser Reise. Egal, wo Seehofer antritt, er erinnert daran, dass Strauß 1975 als einer der ersten westlichen Politiker mit Mao Zedong zusammengetroffen war. "Da bewegen sich die Gesichtszüge, da kommt Lächeln auf. Das hat sich in die Geschichte eingegraben. Ohne diesen Vorlauf wäre es schwer", sagt er nach seinem Treffen mit dem Außenminister.

Bayern hat gerade einmal zwölf Millionen Einwohner, China 1,2 Milliarden - hundertmal so viel. Seehofer ist kein Außenpolitiker, er war Gesundheitsexperte und ist nun Ministerpräsident. So einer kann nicht über die Weltläufe parlieren, als säße er täglich mit Obama und Putin zusammen. Aber er hat eine praktische Art, mit der die Chinesen etwas anfangen können. "Wie schaffen Sie es, dass Sie im Jahr 2009 acht Prozent Wachstum haben, während unsere Wirtschaft um fünf Prozent schrumpft?", fragt er den Außenminister.

Er spricht alles ordentlich an: die Menschenrechte, die Uiguren, die in München ihren Weltkongress haben und die die Chinesen für terroristisch beeinflusst halten. Er betont, was für gute Autos aus Bayern kommen, und erfährt, dass die chinesische Führung durch die Bank Audi fährt. Er selbst fährt mit dem BMW des Botschafters vor. Wieder etwas ordentlich erledigt.

Für seine Verhältnisse hat sich Seehofer intensiv vorbereitet - acht Stunden lang im Flugzeug, mit vier Kilos Akten von der Staatskanzlei. Vorgänger Edmund Stoiber hätte nachgeordert, Seehofer wirft das Papier bei der Landung in den Papierkorb.

Er setzt - wie immer - auf seine Spontaneität. Und auf seinen Hang zur Ironie, der oft verstanden wird - und manchmal gar nicht. Als er Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel von der FDP vorstellt und die Parlamentarier von der Opposition, flachst er: "Ich möchte damit nicht sagen, dass jetzt in Bayern die Demokratie eingekehrt ist." FJS und Stoiber hätten nie Oppositionelle mitgenommen. Und sie hätten nie so einen Spruch gemacht.

Als er dann in der Verbotenen Stadt steht, dem Palast des Kaisers von China, geht er durch das Tor der Harmonie. "Sollten wir vielleicht mal die Kollegen aus der CSU-Zentrale mitnehmen?", frotzelt er schon wieder. Und im Palast der höchsten Harmonie nimmt er sich dann die schwarz-gelbe Koalition in Berlin vor: Harmonie bedeute bei den Chinesen, dass alle Macht in einer Hand sein muss. "Wir müssen uns ein bisschen um Berlin kümmern", sagt Seehofer. Vermutlich hat das mindestens einer in Berlin nicht als Witz verstanden.

Immerhin tickt Seehofer auf Auslandsreise ein ganz klein wenig anders als Stoiber. Der stand seinerzeit vor dem Taj Mahal in Indien, dem Palast, den ein Prinz seiner verstorbenen Geliebten zum Gedächtnis gebaut hatte. Was er von dem Monument halte, wurde er gefragt. "Verschwendung von Ressourcen", kam es prompt. Als ihm sein Berater zuzischte: "Chef, so geht das nicht", probierte es Stoiber noch einmal: "Ein Monument der Liebe", sagte er.

© SZ vom 29.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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