Otto I. von Griechenland:Eine Regentschaft geht in die Hose

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Bemüht: König Otto lernte die Landessprache und trug griechische Tracht - trotzdem scheiterte er. (Foto: oh)

Von Großmächten wurde er zum König gekürt. Am Ende war er auf der Flucht: Otto I. von Griechenland war der ganze Stolz seines Vaters Ludwig I. Doch trotz Erfolgen bei Verwaltung und Infrastruktur blieb der Bayer in Griechenland glücklos.

Von Wolfgang Görl

Heinrich Heine, der ewige Spötter, hat in seinen ironischen "Lobgesängen" auf König Ludwig I. auch dessen Sohn Otto nicht verschont: "Herr Ludwig ist ein mutiger Held, / Wie Otto, das Kind, sein Söhnchen; / Der kriegte den Durchfall zu Athen, / Und hat dort besudelt sein Thrönchen."

Das ist fies, vielleicht sogar ein bisschen billig, doch bei entsprechender Auslegung der Durchfall-Metapher sind Heines Mitte der 1840er-Jahre erschienenen Spottverse prophetisch. Ottos rund 30 Jahre währende Herrschaft als griechischer König ging tatsächlich in die Hose. Im Oktober 1862 beendete eine Revolte den Versuch der Wittelsbacher, fernab von Bayern, in Griechenland, eine zweite Dynastie zu etablieren.

Als die Griechen das osmanische Joch gewaltsam abstreiften

Vor 200 Jahren, am 1. Juni 1815, wurde Otto auf Schloss Mirabell bei Salzburg geboren. Er war der zweite Sohn des damaligen Kronprinzen Ludwig, der als Statthalter in Salzburg residierte. Wie bei einem bayerischen Prinzen üblich, wurden für die Erziehung kluge Köpfe in die Pflicht genommen - allen voran Georg von Oettl, der spätere Bischof von Eichstätt. Der nachgeborene Prinz sollte ja mal die geistliche Laufbahn einschlagen. Aber auch der Neuhumanist Friedrich Thiersch und der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph Schelling gehörten zu Ottos Lehrern.

Als Otto heranwuchs, machten sich die Griechen gerade daran, das osmanische Joch, unter dem sie seit dem Untergang des Byzantinischen Reiches im Jahr 1453 litten, gewaltsam abzustreifen. Nach dem Beginn des griechischen Unabhängigkeitskampfs 1821 entdeckten viele westeuropäische Gelehrte und Intellektuelle ihre philhellenische Ader. Auch in München ergriff man Partei für die Aufständischen, Ottos Erzieher Thiersch beispielsweise rief dazu auf, eine "griechische Legion" zu bilden, und der für die Antike schwärmende Vater Ludwig dichtete: "Du der edlern Menschheit treue Wiege, hochbegabtes Hellas, siege, siege!"

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Nach dem Mord am griechischen Präsidenten war Eile geboten

Der Sieg kam dann vor allem durch die Interventionen der europäischen Großmächte Großbritannien, Frankreich und Russland zustande, die im Londoner Protokoll von 1830 Griechenland zu einem unabhängigen Königreich erklärten. Bei der Suche nach einem König handelten sich die Schutzmächte aber erst einmal zwei Absagen ein. Als dann auch noch der erste griechische Präsident Ioannis Kapodistrias im Herbst 1831 ermordet wurde und Chaos im Land ausbrach, war Eile geboten.

Erneut trafen sich die Vertreter Englands, Frankreichs und Russlands am Londoner Verhandlungstisch, und diesmal kürten sie Otto, den Sohn des philhellenischen bayerischen Königs, zum Kandidaten für die griechische Krone. Für die eifersüchtig sich beäugenden Großmächte war die Wahl eines Bayern nicht sonderlich riskant, weil das kleine Königreich keine Konkurrenz darstellte. Ludwig I., seit 1825 auf dem bayerischen Thron, konnte sich wiederum der Illusion hingeben, als Chef des Zweikönigshauses-Wittelsbach fortan im Konzert der Mächtigen mitspielen zu dürfen. Für ihn war es ein politischer Triumph, als im Oktober 1832 drei Abgesandte der griechischen Nationalversammlung in München erschienen, um seinem Sohn die Krone ihres Landes anzudienen.

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Otto ist noch keine 18 Jahre alt, als er am 6. Dezember 1832 mit seinem Gefolge in München aufbricht, sich nach ein paar Kilometern - daran erinnert die zwei Jahre später dort aufgestellte Ottosäule - von seinem Vater verabschiedet und nach Brindisi reist, wo die britische Fregatte "Madagascar" wartet. Sie bringt ihn nach Nauplia, seinerzeit Griechenlands Hauptstadt, wo er, wie er seinem Vater schreibt, freundlich empfangen wird: "Eine große Menschenmenge begrüßte mich unter lebhaftesten Gebärden mit einem lauten Jubelrufe und emporgeschwungenen Lorbeerzweigen." Mit sich führt er 3600 bayerische Soldaten sowie einen großen Trupp Berater und Beamte, die in dem verwüsteten und rückständigen Land so etwas wie eine staatliche Ordnung schaffen sollen.

Es zeigt sich rasch, dass dieses Griechenland ganz anders ist als das Hellas in den Hirngespinsten der Philhellenen, die in jedem Schafhirten einen wiedergeborenen Odysseus sahen. Das Land ist ausgezehrt vom blutigen Befreiungskrieg, die landwirtschaftlichen Flächen sind in den Händen weniger Großgrundbesitzer, es gibt kaum Straßen und Brücken, die Clanchefs, unter ihnen Helden der Türkenkriege, verfolgen ihre eigenen Interessen, und im Hintergrund ziehen die Schutzmächte die Fäden.

Otto hat zwar fähige Männer in seinem Tross, doch auch die tun sich schwer, die Griechen von einer Verwaltung nach bayerischem Muster zu überzeugen. "Es ist merkwürdig zu sehen, wie die Germanen sich in diesem Chaos der griechischen Angelegenheiten ans Werk machen, einen ordentlichen Staat zu schaffen", schreibt der russische Admiral Rikord 1834.

Ein Zauderer und selbstherrliche Berater

Dabei ist Otto gewiss guten Willens, als fürsorglicher Landesvater zu erscheinen. Er lernt die Landessprache, trägt griechische Tracht und sucht Kontakt zu Einheimischen. Andererseits weigert er sich, dem Katholizismus Lebewohl zu sagen und der griechisch-orthodoxen Kirche beizutreten. Seine Kinder aber sollen orthodox getauft werden, doch die Ehe mit Prinzessin Amalia von Oldenburg bleibt kinderlos.

Zudem ist er ein Zauderer, der häufig den Einflüsterungen seiner diversen Berater erliegt, die wiederum zerstritten sind. Gleichwohl kann er einige Erfolge verzeichnen: Der Aufbau einer effizienten Verwaltung und Justiz kommt voran, Straßen werden gebaut, Krankenhäuser, Schulen sowie die erste Universität, und das zu einem verlausten Nest heruntergekommene Athen, 1834 von Otto zur Hauptstadt erhoben, erhält durch die Pläne Leo von Klenzes neue städtebauliche Akzente.

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Dennoch geraten der Herrscher aus Bayern und besonders seine oft selbstherrlich auftretenden Beamten zunehmend in Misskredit. Das Schmähwort "Bavarokratie" macht die Runde. Den Ruf nach einer Verfassung überhört Otto lange Zeit, erst ein Aufstand zwingt ihn zum Einlenken. Auch die finanziellen Schwierigkeiten häufen sich, zumal die von den Schutzmächten zugesagten Kredite nur zum Teil fließen.

Der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet

König Ludwig I. muss seinem Sohn mit Krediten aus der bayerischen Kasse beispringen, die aber nicht ausreichen, alle Löcher zu stopfen. Ebenso wenig gelingt es Otto, andere von Griechen bewohnte Gebiete dem Mutterland einzugliedern. Der Krimkrieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich scheint dazu die Gelegenheit zu bieten, doch die Engländer zwingen Athen zur Neutralität. Zunehmend verliert der König den Rückhalt in der Bevölkerung. Im Oktober 1862 bricht in Athen ein Aufstand auf, dem Otto nichts mehr entgegenzusetzen hat.

Am 23. Oktober 1862 flüchten Otto und Amalia auf einem britischen Schiff nach Venedig. Das Paar lässt sich samt Hofstaat - Otto hat keineswegs abgedankt - in der Neuen Residenz in Bamberg nieder. Dort stirbt der gescheiterte König am 26. Juli 1867. Ein Jahr zuvor hatte er noch den Griechen auf Kreta 100 000 Gulden spendiert, um ihren Freiheitskampf gegen die Türken zu unterstützen.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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