Herbstklausur der Grünen:"Die nächsten vier Jahre werden anders"

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Es ist still geworden um die kleinste Landtagsfraktion in Bayern. Ihr Chef Hartmann gibt zu, dass die Grünen nach der Wahl "nicht so recht wussten, wo sie hinschwimmen". Auf der Klausur sind sich alle einig: Das soll jetzt anders werden.

Von Katja Auer, Hof

Am Kampfgeist soll es nicht mangeln und inhaltlich halten sich die Grünen für gut gewappnet für die politischen Herausforderungen. Dass es dennoch stiller geworden ist um die kleinste Fraktion im Landtag, die sich einst so stolz als Premium-Opposition bezeichnet hat, sehen die Abgeordneten eher dem Bundestrend und der Dominanz der CSU in Bayern geschuldet als der eigenen Arbeit. Die Herbstklausur im oberfränkischen Hof sollte nach einem Jahr der Einarbeitung der immerhin neun neuen Abgeordneten von insgesamt 18 auch einen Aufbruch markieren.

"Die nächsten vier Jahre werden anders", sagt Fraktionschef Ludwig Hartmann. Er räumt ein, dass die Fraktion bislang "noch nicht so recht wusste, wo sie hin schwimmt", aber alle Parlamentarier seien sehr fleißig und voller Tatendrang. Wie Katharina Schulze, 29 Jahre alt, innenpolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. "Wir mussten unseren Weg finden", sagt sie, aber jetzt hätten sich alle gut eingearbeitet. Angesichts der absoluten Mehrheit der CSU müssten die Grünen aber "noch mal anders auftreten".

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Dass grüne Politik gefragt sei, schließen die Abgeordneten aus der Kommunalwahl. Die Partei war der deutliche Gewinner der Wahl, die Grünen stellen zum ersten Mal zwei Landräte - und dazu 14 Bürgermeister, das sind fünf mehr als zuvor.

"Das Potenzial ist da, aber wir müssen es noch besser entfalten", sagt der frühere Fraktionsvorsitzende Sepp Dürr. Gerade gegen den Bundestrend sei das schwer. In den vergangenen Jahren habe sich die Partei im Bund "etwas verzettelt", sagt er, es sei nicht mehr eindeutig erkennbar gewesen, was die Grünen ausmache.

Der Bundestrend könne manches überlagern, sagt auch die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause, die ihrer Partei aber nicht zu wenig Schlagkraft attestieren will. "Ich sehe uns sowohl im Parlament als auch zivilgesellschaftlich sehr engagiert", sagt sie. Als Beispiel nennt sie die Flüchtlingspolitik, bei der die Grünen schon seit Jahren Verbesserungen fordern.

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Umso weniger erfreut war sie über die Zustimmung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Wilfried Kretschmann zum Asylkompromiss der Bundesregierung, wonach Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Das erleichtert die Abschiebung von Asylbewerbern aus diesen Ländern immens. "Ich bedauere, dass wir keine gemeinsame grüne Haltung gefunden haben", sagt Bause. Sie hätte sich ein gemeinsames Vorgehen gewünscht.

Wie zur Bekräftigung ihrer eigenen Position kritisierten die Grünen bei ihrer Klausur die Staatsregierung nochmals massiv für ihren Umgang mit den Flüchtlingen. "Die CSU ist den Problemen nicht gerecht geworden", sagt Bause. Noch immer werde den Menschen nicht schnell genug geholfen. Noch einmal forderten die Grünen ein eigenes bayerisches Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Syrien und dem Nordirak. Alle Bundesländer hätten ein solches aufgelegt, nun müsse Bayern schnellstens nachziehen. Mehr Geld für Personal in allen Bereichen der Asylpolitik und die Aufhebung der Residenzpflicht gehören ebenfalls zum Forderungskatalog.

Die Bundesvorsitzende Simone Peter bekräftigte das und sprach sich für mehr Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung von Asylbewerbern aus. Außerdem müssten die Dublin-II-Verordnung überarbeitet und Flüchtlinge nicht nach festen Quoten, sondern nach Bedarf auf die Länder verteilt werden.

Forderung nach ständigem Landtagsausschuss "Digitale Agenda"

Die Grünen hätten alle zentralen Zukunftsthemen auf ihrer Agenda, sagt Bause, wie den digitalen Wandel, mit dem sich die Abgeordneten bei ihrer Klausur "als erste und einzige in dieser Breite" beschäftigt hatten. Dieser Wandel sei nicht aufzuhalten und das sei auch gar nicht wünschenswert, sagt Ludwig Hartmann. Aber er müsse gestaltet werden. "Was muss in der Schule gelehrt werden, wenn das Handy mehr weiß als der Lehrer?", sei eine der zentralen Fragen. Die Grünen wollen einen ständigen Landtagsausschuss "Digitale Agenda" einrichten, um den Wandel zu begleiten.

Hartmann verlangt von seiner Fraktion noch mehr Hartnäckigkeit im Landtag. Die Grünen müssten ihre Themen konsequent verfolgen und sich so weiter profilieren. Die Energie- und die Bildungspolitik sowie die Agrarpolitik sollen Schwerpunkte der Arbeit werden. Auch zu anderen Themen müssten die Grünen Konzepte erarbeiten, die nicht erst in einem Wahlprogramm auftauchen dürften. Resignation ist bei den Grünen nicht zu spüren. Wenn die nächste Landtagswahl ansteht, will die Partei regierungsfähig sein.

© SZ vom 25.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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