Haus der Bayerischen Wirtschaft:Clement wütet, Erhard boxt

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Ex-Minister eröffnet Karikaturenausstellung über Ex-Kanzler

Von Maximilian Gerl, München

Meist geht es im Haus der Bayerischen Wirtschaft (HBW) ernst zu. Derzeit zum Beispiel dreht sich dort alles um die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektro-Industrie. Das ist wichtig, komplex und vor allem zäh. So zäh, dass sogar frühere Schwergewichte plötzlich leichtfüßig daherkommen. So am Dienstagabend. Da wurde im HBW (Max-Joseph-Straße 5) die Karikaturenausstellung "Ludwig Erhard - gestern, heute, morgen" eröffnet. Erstmals macht die Sammlung in Bayern Station, sie ist eindrucksvoll. Gut 50 Zeichnungen zeigen "Mister Wirtschaftswunder" in humoristischer Pose, etwa als Preisboxer gegen Partei-Freunde oder als Gegengewicht auf der berüchtigten Lohn-Preis-Spirale. Zusammengestellt hat die Ausstellung Kurator Helmut Schmidt, ein schöner Zufall der Geschichte.

Kein Zufall ist, dass sich zur Eröffnung Wolfgang Clement nach München verirrt. Wenn hinter jeder Karikatur ein Sinn steckt, ist die Ausstellung ein einziger Hintersinn; Clement ist da, um ihn aufzuzeigen. Unter Kanzler Gerhard Schröder war er Wirtschaftsminister und in der SPD. Heute ist er Ex-Sozi und Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, in deren Auftrag die Ausstellung tourt. Mit geschürzter Unterlippe stürmt er die Bühne. Ohne Manuskript, er kann sich frei in Rage reden. Clement sieht Erhards Idee von sozialer Marktwirtschaft gefährdet. Also warnt er davor, Schröders Agenda 2010 auszuhöhlen, plädiert für eine europäische Armee und effizienteres Geldausgeben ("Die einen bauen krumme Gewehre, die anderen krumme Panzer"), wundert sich über die Energiepolitik ("Wer so was erfunden hat, muss Tinte gefressen haben"), schämt sich für Obergrenzen bei der Migration. Zwischenzeitlich scheint er über seinen Redefluss selbst erstaunt zu sein, muss am Alter liegen, vermutet der 77-Jährige, "aber Sie kennen das ja, Sie haben alle Großeltern". Nach 20 Minuten geht er ab, Häppchen kommen.

Die Erhard-Ausstellung ist noch bis Freitag zu sehen. Danach dürfte es im HBW wieder ernst werden: Sollte keine Einigung in den Tarifverhandlungen absehbar sein, drohen große Streiks. Spaß wird das eher niemandem machen.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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