Guttenberg: Bundeswehrreform:Die Angst geht um

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Noch ist nichts entschieden: Doch allein die Vorstellung, was die Pläne des Verteidigungsministers für bayerische Standorte bedeuten könnten, macht viele nervös.

M. Hägler, O. Przybilla und A. Roß

Noch ist nichts entschieden. Erst im Juli will Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) bekanntgeben, welche Standorte im Zuge der Bundeswehrreform aufgegeben oder verkleinert werden. Doch die Ungewissheit macht Landes- und vor allem Kommunalpolitiker im Freistaat schon heute nervös. In den Standortgemeinden wird heftig diskutiert, es werden Resolutionen verabschiedet und Gegenstrategien entworfen. Die bange Frage, was wird aus uns, wenn die Bundeswehr abzieht, ist dort zum alles beherrschenden politischen Thema geworden.

Im Sommer will Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) seine Pläne zur Bundeswehrreform bekanntgeben. Doch schon jetzt ist Frage nach der Zukunft bayerischer Standorte beherrschendes Thema bei Kommunalpolitikern. (Archiv) (Foto: dapd)

Am Wochenende kam der erste konkrete Warnruf: Man müsse im Zuge der Bundeswehrreform über den fränkischen Standort Roth nachdenken, heißt es in einem Papier, wohl aus dem Heeresamt. Ein Paukenschlag, denn Roth ist mit 2750 Soldaten einer der größten bayerischen Bundeswehrstandorte. Die Überlegungen seien zwar in einem "Nicht-Papier" geäußert worden, betont Peter Paul Gantzer, der Verteidigungsexperte der bayerischen SPD.

Aber ernst nehmen müssten die Politiker im Land und in den Kommunen diese Hinweise trotzdem, mahnt Gantzer. "Wir dürfen nicht warten, bis die Entscheidungen stehen, sondern jetzt schon aufstehen und für die bayerischen Standorte kämpfen", sagt der Politiker, der als Oberst der Reserve die Materie bestens aus der Praxis kennt.

"Es ist derzeit eine Zitterpartie für alle Standort-Bürgermeister", sagt Franz Reichold, CSU-Rathauschef im ostbayerischen Roding. 1000 Soldaten sind derzeit in seiner Kommune stationiert, vor allem Kräfte der Panzerbrigade 12. Diese Einheit beschäftigt zwischen Amberg in der Oberpfalz, den Landkreisen Schwandorf und Cham und dem niederbayerischen Freyung an acht Standorten insgesamt rund 6400 Männer und Frauen. "Unser Ziel muss es sein, die Brigade insgesamt zu halten, sonst haben wir verloren", sagt Reichold. Der Bund sei aufgerufen, Verantwortung zu zeigen und sich zum ländlichen Raum zu bekennen, heißt es beispielsweise in einer Resolution des Kreistages Schwandorf.

Alle zögen weg und deshalb müsse die Bundeswehr dableiben - das ist für Gantzer nicht das stärkste Argument. "Wir müssen daran erinnern, dass Bayern immer extrem Bundeswehr-freundlich war", sagt der SPD-Politiker. Aus seinen Wehrübungen wisse er, dass Soldaten von bayerischen Bürgern stets gut versorgt wurden. "In Bremen oder Schleswig-Holstein bekamen wir teils nicht einmal eine Scheune", sagt Gantzer.

In Freyung können sie ebenfalls schmerzhafte Rechnungen aufstellen: In den vergangenen zehn Jahren verlor der Ort im Bayerwald acht Prozent seiner Bevölkerung. Auch hier argumentiert der junge CSU-Bürgermeister Olaf Heinrich zum Thema Bundeswehr mit der Verbundenheit der Bevölkerung. Bei offiziellen Anlässen tragen viele eine gelbe Schleife, die Solidarität mit den rund 900 Aufklärungssoldaten demonstrieren soll. In der Bundeswehr weiß man das zu schätzen: "Das Interesse am Beruf Soldat ist hier noch sehr groß", heißt es aus der Standortleitung, das mache Freyung attraktiv.

Mit schweren Gedanken trägt sich dieser Tage auch Herbert Eckstein, der SPD-Landrat im fränkischen Roth. Die Situation dort ist unübersichtlich: Einerseits hat man eine Kaserne, die mit immensem Aufwand saniert worden ist, 200 Millionen Euro wurden dort zuletzt in neue Hallen und eine Simulationsanlage investiert. Eine Schließung würde deshalb wie ein Treppenwitz wirken. Andererseits weiß momentan niemand, wie viele der ursprünglich 80 bestellten "Tiger"-Hubschrauber tatsächlich noch ausgeliefert werden. Sind es zu wenig, dann könnte der hessische Standort Fritzlar den Vorzug bekommen - für Roth aber dürfte es dann eng werden.

Und dann treibt den Landrat noch eine zweite Frage um: Ist die Konstellation, dass mit Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und dessen Staatssekretär Christian Schmidt gleich zwei Franken das Sagen im zuständigen Ministerium haben, nun ein Vorteil oder gar ein Nachteil für Roth? Manche sagen, so berichtet der Landrat, "der Minister und sein Staatssekretär können ja nicht ausgerechnet ihre Heimat hängenlassen". Andere interpretieren es genau andersrum: Wenn Guttenberg und Schmidt in Franken demonstrierten, dass sie eigene regionalpolitische Interessen nicht zum Maßstab ihres Handelns machen - dann hätten sie anschließend freiere Hand.

Auch in Schwaben wächst die Sorge, die Bundeswehrreform könnte das Aus für den Luftwaffenstützpunkt auf dem Lechfeld südlich von Augsburg oder für die Kaserne im nordschwäbischen Dillingen bedeuten. Mit 2500 Soldaten und zivilen Beschäftigten ist das Lechfeld einer der großen Bundeswehrstandorte im Land und zugleich der größte Arbeitgeber im Landkreis Augsburg.

Der frühere Bundesminister und heutige Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Technologie, Eduard Oswald, hat es übernommen, die politischen Aktivitäten zum Erhalt des Standorts zu koordinieren. Insgesamt drei Kasernen gehören zum Lechfeld, auf dem das Jagdbombergeschwader 32 stationiert ist. "Es geht um Arbeitsplätze, um unsere Wirtschaft und um Familien", sagt der Augsburger Landrat Martin Sailer (CSU). Geschäftsleute haben inzwischen eine Bürgerinitiative "Pro-Lechfeld" gegründet und die Bürgermeister aus den umliegenden Gemeinden trafen sich unlängst zu einer Demonstration vor dem Kasernentor. Für einige CSU-Kommunalpolitiker war das eine Premiere. "Ich habe noch niemals demonstriert, aber diesmal habe ich es getan, und zwar aus voller Überzeugung", sagt Untermeitingens Rathauschef Georg Klaußner.

© SZ vom 02.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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