Gutachten zu Flächenfraß:Auslegungssache

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Grüne und CSU lesen anders

Für die Grünen ist es ein Riesentriumph. "Dieses Gutachten bestätigt, dass unser Volksbegehren gegen den Flächenfraß zulässig ist", sagt Ludwig Hartmann, Fraktionschef im Landtag und Initiator des Volksbegehrens "Betonflut eindämmen: Damit Bayern Heimat bleibt". "Deshalb hat uns Ex-CSU-Chef Erwin Huber einen immensen Gefallen getan." Die Konsequenz aus Hartmanns Sicht: "Das Innenministerium muss unser Volksbegehren gar nicht mehr verfassungsrechtlich prüfen." Diese Hürde habe es mit dem Gutachten genommen. Erwin Huber, der das Gutachten eingeholt hat, sieht das ganz anders.

Aber der Reihe nach: Seit Wochen trommeln Grüne, ÖDP, der Landesbund für Vogelschutz, die Naturfreunde und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft für ihr Volksbegehren, mit dem sie den Flächenfraß in Bayern auf fünf Hektar am Tag halbieren wollen. Dazu fordern sie eine entsprechende gesetzliche Obergrenze. Die Initiative ist bisher sehr erfolgreich. In wenigen Wochen haben sich bayernweit 46 000 Wahlberechtigte in die Unterschriftslisten für das Volksbegehren eingetragen, nötig gewesen wären nur 25 000. Damit hat die Initiative die erste Hürde genommen. Nun muss das Innenministerium prüfen, ob das Volksbegehren rechtlich zulässig ist.

Parallel zu dem Volksbegehren haben die Grünen im Landtag einen Gesetzesentwurf gegen den Flächenfraß eingebracht. Wie im Volksbegehren fordern sie darin eine gesetzliche Obergrenze für den Flächenverbrauch. Aber anders als das Volksbegehren enthält der Gesetzesentwurf auch Forderungen für ihre Umsetzung. Dazu wollen die Grünen nach Vorbild des Emissionshandels auf EU-Ebene ein System von Flächenzertifikaten etablieren. Es soll den Kommunen ermöglichen, trotz der Obergrenze das Bauland auszuweisen, das sie benötigen.

Das Gutachten, das der CSU-Mann Huber in Auftrag gegeben hat und das den Grünen Hartmann jubeln lässt, bezieht sich auf den Gesetzesentwurf. Es stammt von dem Augsburger Jura-Professor Martin Kment, einem angesehenen Experten für Öffentliches, Europa-, Umwelt- und Planungsrecht. Das Gutachten hat es in sich. Was die gesetzliche Obergrenze für den Flächenverbrauch anbelangt, vertritt es die Auffassung, dass sie nicht nur zulässig und verfassungsrechtlich legitim ist. Sondern sie sei auch das "mildeste Mittel (...), um (...) die Flächenreduzierung im gewünschten Umfang sicherzustellen". Die Einschränkung der Planungshoheit der Kommunen, die eine solche Obergrenze bedeutet und die einer der umstrittensten Punkte bei dem Volksbegehren ist, hält Kment für zulässig. Anders das Zertifikatesystem; das ist nach Kments Auffassung rechtlich nicht möglich. Außerdem enthalte der Gesetzesentwurf keine Regelung für Härtefälle und greife in laufende Planungen ein. Für Hartmann ist dennoch klar: "Das Papier ist das juristische Placet für unser Volksbegehren", sagt er. "Denn dieses fordert ja nur die Obergrenze für den Flächenfraß, und die wird eindeutig als verfassungskonform bezeichnet."

Ex-CSU-Chef Erwin Huber widerspricht vehement und wirft Hartmann "bewusste Irreführung" vor. "Volksbegehren und Gesetzesentwurf sind zwei Paar Stiefel", sagt er. "Das Gutachten bezieht sich an keiner Stelle auf das Volksbegehren, sondern ausschließlich auf den Gesetzesentwurf." Und was den anbelangt, "kommt es zu dem Schluss, dass er verfassungswidrig ist". Die Grünen hätten sich aus dem Gutachten also "nur den Punkt herausgegriffen, der ihnen parteipolitisch in den Kram passt".

© SZ vom 27.01.2018 / cws - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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