Gewerkschaft:Johann Horn wird Bayerns IG-Metall-Boss

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Johann Horn ist gelernter Werkzeugmacher. 1987 stieg er bei der IG Metall in Nürnberg als Sekretär ein. (Foto: privat)

Jürgen Wechsler tritt im Oktober in den Ruhestand, der 60-jährige Audi-Aufsichtsrat soll ihm nachfolgen

Von Uwe Ritzer, München

Als Werner Neugebauer 2010 nach 22 Jahren an der Spitze der bayerischen IG Metall aufhörte, war er gesundheitlich schwer angeschlagen. "Mein Problem ist, dass mir meine persönliche Kraft und meine Energie ausgeht", begründete er seine Bitte an den IG Metall-Bundesvorstand, ihn als Bezirksleiter der größten Einzelgewerkschaft abzulösen. So weit will es sein Nachfolger Jürgen Wechsler nicht kommen lassen. "Kürzer treten", will er und "mehr Zeit für's Leben und die Familie" haben. Weshalb er Ende Oktober und damit pünktlich zu seinem 63. Geburtstag aufhört, nach acht Jahren als mächtigster Gewerkschaftsboss im Freistaat.

So lange wird wiederum sein designierter Nachfolger die knapp 380 000 bayerischen Metallgewerkschafter voraussichtlich nicht anführen. Johann Horn, seit 2010 Chef der IG Metall in Ingolstadt und Mitglied im Aufsichtsrat der dort angesiedelten Audi AG, ist bereits 60 Jahre alt. Nach fast 30 Berufsjahren bei der Gewerkschaft ist er ein erfahrener Arbeiterführer, trotzdem aber auch eine Übergangslösung.

Dennoch ist Horn nicht nur der erklärte Wunschkandidat Wechslers, sondern auch der bayerischen Bezirkskommission der Gewerkschaft, die den Wechsel am Donnerstag einstimmig für gut befand. Alle 21 IG Metall-Geschäftsstellen im Freistaat stehen dahinter, so ein Gewerkschaftssprecher. Die eigentliche Entscheidung trifft der Bundesvorstand der IG Metall in Frankfurt, doch da wurde, wie man hört, im Vorfeld längst alles geklärt.

Der Zeitpunkt für den Wechsel ist ideal. Die nächste Tarifrunde steht erst 2020 an, so dass Horn Zeit hat, sich in den neuen Job einzuarbeiten. Viel Zeit wird er dafür andererseits nicht brauchen, schließlich ist er innerhalb der Organisation bestens verdrahtet. Im oberbayerischen Planegg geboren, ließ sich Horn zum Werkzeugmacher ausbilden und arbeitete als solcher bei der AEG in Nürnberg. 1987 stieg er bei der dortigen IG Metall als Sekretär ein; später übernahm er die Verwaltungsstelle Schwabach, ehe er 2010 zum ersten Bevollmächtigten in Ingolstadt gewählt wurde und damit an die Spitze der größten bayerischen Verwaltungsstelle der IG Metall.

Auch Jürgen Wechsler hatte seine Gewerkschaftskarriere in Nürnberg gestartet, als Lehrling und Mechaniker im Siemens Trafo-Werk. Später wurde er zweiter und schließlich erster Bevollmächtigter in Nürnberg. Bundesweite Aufmerksamkeit erregte er 2006 als Anführer des siebenwöchigen Kampfes um das letzte AEG-Werk, an dessen Ende immerhin ein üppiger Tarifvertrag für die 1700 Betroffenen stand.

Nun übergibt Wechsler "einen geordneten bayerischen Bezirksverband" an Horn, wie er sagt. Unter seiner Ägide wurde dieser in den vergangenen Jahren vielerorts verjüngt und während die IG Metall in anderen Regionen Mitgliederschwund beklagt, stieg die Zahl ihrer Mitglieder im Freistaat während Wechslers Amtszeit um knapp 25 000.

"Der Bezirk ist geschlossen und durchsetzungsfähig", sagt Wechsler und verweist auf den unter seiner Ägide 2013 erzielten Pilotabschluss und einen "hervorragenden Tarifabschluss in diesem Jahr", mit starken Entgelterhöhungen, Übernahmevereinbarungen für Azubis, neuen Arbeitszeitmodellen und weitgehenden Vereinbarungen in Sachen Altersteilzeit oder Weiterbildung.

Nach dem kantigen und einer zünftigen Rauferei mit Arbeitgebern oder Politikern nie abgeneigten Arbeiterführer Neugebauer - er lebt übrigens im Ruhestand in Niederbayern - war Jürgen Wechsler eher strategisch unterwegs. Zeitweise trieb er Industrie und Landespolitik mit der Forderung vor sich her, sich dem Wandel der im Freistaat bedeutenden Autobranche hin zu E-Mobilität und autonomem Fahren aktiver zu stellen. Etwa durch den Bau einer eigenen Batteriefabrik. Ausfluss dessen war vor wenigen Wochen ein "Autopakt", zu dem sich Arbeitgeber, Betriebsräte und Gewerkschafter sowie die bayerische Staatsregierung verpflichteten. Gemeinsam wollen sie die Transformation steuern und damit möglichst die 400 000 Arbeitsplätze in der Branche sichern.

Wechsler begleitet den Transformationsprozess unter anderem als Aufsichtsrat bei BMW und beim Autozulieferkonzern Schaeffler. Letzterer galt lange Zeit als gewerkschaftsfeindlich; inzwischen jedoch sind alle Schaeffler-Standorte tarifgebunden, und eine Zukunftsvereinbarung schließt betriebsbedingte Kündigungen weitgehend aus.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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