Gesundheitsbranche:Kassenärzte kritisieren Tempo bei Digitalisierung

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Von Dietrich Mittler, München

Die mit Hochdruck vorangetriebene Digitalisierung der Gesundheitsbranche bereitet Bayerns Kassenärzten zunehmend Sorgen. Schuld am hohen Taktschlag sei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), betonte die Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) am Dienstag in München. "Die Unsicherheit in unseren Praxen ist sehr groß", sagte KVB-Chef Wolfgang Krombholz. Dass künftig seitens der Kassen Patienten- und Gesundheitsdaten der Forschung zur Verfügung gestellt werden müssen, drohe das Arzt-Patienten-Verhältnis nachhaltig zu beschädigen.

KVB-Vorstandsmitglied Claudia Ritter-Rupp kritisierte, die Patienten hätten bezüglich der von Berlin vorgegebenen Datenweitergabe nicht einmal ein Widerspruchsrecht. Mit Sorge registriere Bayerns Ärzteschaft auch, dass die Wirtschaft Begehrlichkeiten äußere, an die Abrechnungsdaten der Kassen heranzukommen. Es mache sich Goldgräberstimmung breit, warnte Krombholz. Und: "Gesundheitsdaten sind das Gold des 21. Jahrhunderts."

Grundsätzlich aber stehe Bayerns Ärzteschaft der Digitalisierung "offen" gegenüber. So etwa seien bereits in mehr als 13 000 Praxen die Rechner an die neue Telematik-Infrastruktur angeschlossen worden, die einen besseren Austausch zwischen den Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern ermöglichen soll. Doch der "gigantische Zeitdruck", mit dem das geschehen musste, habe zu Pannen geführt - es habe schlichtweg an entsprechend ausgebildeten Technikern gefehlt. Anstatt ihrer seien beim Netzanschluss der Praxen auch Laien zum Einsatz gekommen. "Während des Anschließens wurden da etwa bestimmte Ports oder Firewalls ausgeschaltet", sagte KVB-Vorstandsmitglied Pedro Schmelz. Als Folge dieser Pfuscharbeit seien Datenlecks nicht auszuschließen - nur könnten dafür nicht die Ärzte verantwortlich gemacht werden.

Auch das ist aus Sicht der KVB "mehr als fahrlässig": Krankenkassen dürften nun Gesundheits-Apps anbieten, deren Wirksamkeit noch nicht überprüft sei. Psycho-Apps könnten gar die Patientensicherheit "eklatant gefährden", warnte Claudia Ritter-Rupp - selbst Psychotherapeutin. So etwa könnten sich Depressionen krisenhaft zuspitzen. "Bei Apps ist aber kein adäquates Krisenmanagement gegeben", warnte sie.

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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