Geschichte:Neues Hörspiel über die unbekannte Münchner Revolution

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Menschenmengen sammeln sich während der Novemberrevolution 1918 in München. (Foto: dpa)
  • Hans Well hat im 100. Gründungsjahr des Freistaats ein gut zweistündiges Hörspiel über die Ereignisse der Revolution von 1918 geschaffen.
  • Am 7. November 1918 wurde unter der Führung von Kurt Eisner die bayerische Monarchie ohne Blutvergießen abgeschafft.
  • In dem atmosphärischen Hörspiel ist viel über den Hintergrund und Kurt Eisners zu erfahren.

Von Hans Kratzer, München

Von der Münchner Revolution des 7. November 1918 habe er in seiner Schulzeit so gut wie nichts gehört, sagt Hans Well, der 35 Jahre lang Mitglied der Biermösl Blosn war. Dass unter der Führung von Kurt Eisner die bayerische Monarchie ohne Blutvergießen abgeschafft, der Freistaat Bayern gegründet, der Acht-Stunden-Arbeitstag sowie das Frauenwahlrecht eingeführt wurden, "davon erfuhr man in bayerischen Schulen früher rein gar nichts". Auch in den heutigen Lehrplänen werden diese historisch hochbrisante Revolution und die Gründung des Freistaats Bayern durch einen Sozialisten nur am Rande gestreift.

Aufklärung schadet also nichts: Aus diesem Grund hat Well im 100. Gründungsjahr des Freistaats ein gut zweistündiges Hörspiel über die damaligen Ereignisse geschaffen. "Sie müssen sich das einmal vorstellen: eine Revolution in Bayern, in München, von den Roten! 750 Jahre Wittelsbach erledigt. Ruck zuck, Aus, Äpfel Amen!" So stakkatohaft wie jene Revolutionswirren klingt auch der Auftakt dieses Werks, das Well gemeinsam mit seiner Frau Sabeeka arrangiert hat.

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Atmosphärisch geprägt wird das Feature von fabelhaften Sprecherinnen und Sprechern wie Gisela Schneeberger, Johanna Bittenbinder, Gert Heidenreich und Bernhard Butz. Das Panorama der Revolutionstage speist sich aber auch aus zeitgenössischen Zitaten und Liedern, die von den Wellbappn fein interpretiert werden. Der Zuhörer wird dicht und authentisch an die Dramatik herangeführt. Dialektfest aber muss er sein, denn das Lokalkolorit wurde sprachlich exakt gemalt. Was in Zeiten des heftigen Sprachwandels ein Verdienst ist.

Sprecherin Gisela Schneeberger geleitet die Zuhörer zunächst in den Keller des Hauses der Bayerischen Geschichte, wo eine geheime Kammer zur Münchner Revolution 1918/19 existiert. Die Trompete stimmt das Trauerlied "Ich hatt' einen Kameraden" an und ruft damit das Kriegsjahr 1917 in Erinnerung, in dem in Bayern Zehntausende verhungerten. Fast jede Familie hatte Söhne oder Väter verloren, man hatte den Krieg endgültig satt.

Angesichts dieses Elends verwundert es nicht, dass ausgerechnet im vermeintlich konservativen Bayern die erste deutsche Krone fiel. Das Hörspiel gibt die Turbulenzen szenisch ziseliert wider, eine Verdichtung gelingt durch Texte von Zeitzeugen wie Lion Feuchtwanger, Oskar Maria Graf und Victor Klemperer, der Eisner scharf beobachtete. "Der Witz ersetzt ihm fast immer das Pathos. Und wird ihm immer mit dankbarem Jubel quittiert", notierte er und zeigt Eisner damit von einer eher neuen Seite. Die Autoren zeichnen ein von Sympathie getragenes Bild von Eisner. "Wir wünschen uns, dass das Hörspiel ein gerechtes Bild des völlig unheroischen Helden Kurt Eisner und seiner Weggefährten, aber auch seiner Feinde vermitteln können", ist auf der Hülle der CD zu lesen.

Die Staatsregierung fremdelte lange mit Eisner

Eisner gilt bis heute als eine gebrochene historische Figur. Die Staatsregierung fremdelte lange mit ihm. Ein sozialistischer Gründer des Freistaats, damit kamen viele nicht zurecht. Die Niederschlagung der nach seinem Tod folgenden Räterepubliken endete blutig, der Traum von einem roten Bayern führte ins Trauma einer möglichen Sowjetisierung Bayerns. Die rechten Agitatoren hatten es deshalb leicht, mit der Zauberformel von der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung ihre verbrecherischen Ziele zu verfolgen.

Das Positive der Revolution bündelt sich nicht zuletzt in einem Zitat des Schriftstellers Heinrich Mann: "In 100 Tagen Revolution gab es mehr Ideen als in den 50 Jahren vorher." Unabhängig vom Hörspiel der Familie Well scheint auch die Staatsregierung die Person Eisner neu zu bewerten. Laut Ankündigung will sie bei einem Staatsakt am 8. November an die herausragende historische Rolle Eisners erinnern.

Rotes Bayern - Es lebe der Freistaat. Die Münchner Revolution 1918 und die Räterepubliken 1919. Hörspiel von Hans Well und Sabeeka Gangjee-Well. Mit Musik und Liedern von den Wellbappn. Der Hörverlag, 2018, 2 CDs, 139 Minuten, 18 Euro.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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