Geschichte:Auf immer und ewig Baustelle

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Seit dem 11. Jahrhundert gingen auf dem Sandsteinfelsen vor allem die Maurer und Handwerker aus und ein. Jetzt gehört die Burg den Touristen

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Die Silhouette der Kaiserburg prägt Nürnbergs Stadtbild genau wie ihre Geschichte. Es mag nicht die schönste und größte Burg Deutschlands sein, wirklich alt sind auch nur noch wenige Teile von ihr. Aber sie hat doch eine herausragende historische Bedeutung. Und die Stadt Nürnberg hat es dieser Burg zu verdanken, dass sie zur vornehmsten des Spätmittelalters aufsteigen konnte.

Als der Burgfelsen erstmals bebaut wurde, war Deutschland noch ein politischer Fleckenteppich aus kleinen Herrschaftsgebieten, die zusammen das Heilige Römische Reich bildeten. An dessen Spitze stand der gemeinsame König und Kaiser, der nicht gemütlich von einer Reichshauptstadt aus regieren konnte, sondern ständig im Land umher zog, um Gerichtstage abzuhalten und seine Macht zu sichern. Früh entdeckten die Kaiser Nürnberg als einen geradezu idealen Außenposten, der zentral an mehreren Handelsstraßen lag. So wurde die Nürnberger Burg im Laufe der Geschichte von den wechselnden Kaisern besonders häufig besucht. Im Schatten der Burg wuchs eine Siedlung heran, die schnell wohlhabend wurde und sich als freie Reichsstadt zu einer der Metropolen des Mittelalters entwickeln konnte. Wie zentral Nürnbergs Stellung war, machte Kaiser Karl IV. deutlich, als er 1356 eine Art Reichsgrundgesetz erließ, die Goldene Bulle. Darin wurde Nürnberg - neben Frankfurt und Aachen - als nur eine von drei deutschen Städten erwähnt: Jeder neu gewählte Herrscher müsse seinen ersten Reichstag in Nürnberg abhalten. Den Grundstein dafür hatte schon Kaiser Heinrich III. gelegt, als er Anfang des 11. Jahrhunderts - über Resten älterer Bauten - eine Burganlage auf dem Sandsteinfelsen an der Pegnitz errichten ließ. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Burg immer wieder umgebaut und erweitert. Im 16. Jahrhundert verlor Nürnberg für die Herrscher an Bedeutung. Doch als das Reich 1806 aufgelöst und Franken dem Königreich Bayern zugeschlagen wurde, fanden die Wittelsbacher ebenfalls Gefallen an der alten Kaiserburg. Sie wurde damals bereits als Denkmal und Kunstschatz gesehen, sollte aber auch als königliches Übernachtungsquartier dienen. Bayerns König Ludwig I. und sein Sohn Maximilian II. ließen Räume im Palas neu einrichten, im Stil der romantischen Neugotik.

Früh wurde die Burg aber auch für Besucher zum beliebten Reiseziel. Im Burgmuseum bezeugen das heute beispielsweise ein historischer Führer "für Einheimische und Fremde" aus dem Jahr 1896 sowie farbige Ansichtskarten aus den Zwanzigerjahren.

Die Nationalsozialisten missbrauchten die Burg dann als Symbol für die Legende, wonach ihr sogenanntes Drittes Reich an die Zeit des deutsch-römischen Reiches anknüpfen wolle. Von 1934 an wurde die Burg deshalb "purifiziert". Alles, was nicht nach Mittelalter aussah, musste weg. Neugotische Zierkonsolen und Kassettendecken wurden durch schlichte Bretter ersetzt, Flügeltüren durch einfache Türen. Im Burgmuseum ist das "rücksichtslose Vorgehen der Bauleute unter Rudolf Esterer" mit Fotos dokumentiert.

Kaiser Karl IV. war hier auch schon Hausherr. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Pikanterweise wurde nach dem Zweiten Weltkrieg derselbe Rudolf Esterer zum Chef der Schlösserverwaltung gemacht und mit dem Wiederaufbau der Burg betraut. Denn 1945 lag die Burg in Schutt und Asche - wie auch die gesamte Stadt. Nürnberg hatte als Stadt der Reichsparteitage, Verkehrsknotenpunkt und Standort der Rüstungsindustrie besonders viele Bomben abbekommen. Der markante runde Sinwellturm, die berühmte Kaiserkapelle mit ihren zwei Ebenen und der benachbarte Heidenturm erlitten nur leichte Schäden, die Hasenburg blieb unversehrt. Die übrigen Gebäude waren erheblich getroffen oder bis auf ein paar Mauerreste vernichtet: Etwa 70 Prozent der Burg war verloren und wurde von 1947 an rekonstruiert oder ganz neu gebaut - dabei dienten oftmals alte Bilder und Fotos als Vorlage. Vom Palas fehlte das Obergeschoss, die benachbarte Kemenate war ein Trümmerhaufen. Dieser ehemalige Frauenbau, in dem heute Museumsräume untergebracht sind, wurde erst 1971 wieder fertig gestellt. Als letztes aber folgte 1981 das Kastellansgebäude. In dem lärmen nun schon wieder die Baumaschinen.

Die Arbeiten sind Teil eines Programms, für das der Freistaat in einem ersten Bauabschnitt etwa 20 Millionen Euro ausgeben wird. Denn viele der mehr als 1,5 Millionen Übernachtungsgäste, die jedes Jahr nach Nürnberg kommen, spazieren zwar durch die Burg und genießen die Aussicht auf die Altstadt. Tagesfüllend ist das aber nicht. Und nur knapp 180 000 Besucher werden als Museumsbesucher zu zahlenden Gästen. Künftig können sie bei einer Tasse Kaffee im Burghof sitzen und über die lange Geschichte dieses Bauwerks nachdenken.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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