Gerichtstermin:Lieb und teuer

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Das Gerüst im Sängersaal von Schloss Neuschwanstein ist inzwischen nicht mehr ganz so präsent. Glück für die Besucher. (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)

Schloss Neuschwanstein wird derzeit aufwendig saniert. Im Streit um Planungskosten gibt es nun einen Vergleich

Von Florian Fuchs, Augsburg

Im Sängersaal von Schloss Neuschwanstein haben die Besucher Glück: Erst ein paar Wochen ist es her, dass Arbeiter das mächtige Baugerüst in den hinteren Teil des Raums verlegt haben, so ist den Besuchermassen inzwischen etwas weniger der Blick versperrt. Für 20 Millionen Euro saniert der Freistaat derzeit seine wichtigste Sehenswürdigkeit, darunter 93 Räume mit 184 Wand- und Deckenfassungen, 65 Gemälden, 355 Möbeln, 322 kunsthandwerklichen Objekten und 196 Natur- und Kunststeinobjekten. Streit gab es allerdings bis Mittwoch um die Planungskosten für die Renovierung: Das Büro, das unter anderem die Restaurierung der Prunksäle geplant hat, verlangte vom Freistaat eine Nachvergütung von etwas mehr als 400 000 Euro. Vor dem Oberlandesgericht Augsburg schlossen die Parteien nun einen Vergleich: Der Freistaat zahlt noch bislang einbehaltene Forderungen von rund 50 000 Euro.

Es waren verzwickte juristische Details, denen sich der 27. Senat in der Berufungsverhandlung ausgesetzt sah. Der Vorsitzende Richter Werner Barwitz hatte seinen Humor trotzdem nicht verloren und gleich zu Beginn des Prozesses festgestellt, dass er einem Ortstermin nicht abgeneigt wäre: "Ein schöner Ausflug wäre es schon ins Allgäu." Der Freistaat und das Restaurierungsbüro hatten 2015 einen Vertrag über die restauratorische Fachplanung geschlossen und dabei einen Pauschalpreis vereinbart, der sich einschließlich von Zusatzaufträgen auf 250 000 Euro belief. Davon hatte der Freistaat bis auf einen Rest von 40 000 Euro auch alles bezahlt. Diesen Rest aber behielt man ein, weil das Büro für Restaurierungsarbeiten mangelhaft gearbeitet habe. Um die Mängel zu beseitigen, seien sogar Aufwendungen in Höhe von 500 000 Euro notwendig gewesen.

Das Büro wollte nun nicht nur die ausstehenden Zahlungen erhalten, sondern darüber hinaus noch Geld, und berief sich dabei auf die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Diese besage, dass der Pauschalpreis die Mindestvergütung für diese Arbeiten unterschritten habe und somit rechtswidrig sei. Das Landgericht in Kempten hatte diese Argumentation bereits verworfen und war dem Anwalt des Freistaats gefolgt, wonach die Planung der Restaurierung keine Architektenleistung sei - und die HOAI deshalb nicht greife. Dies sah nun das Oberlandesgericht in der Berufungsverhandlung am Mittwoch anders, was den Klägern aber auch nichts nützte. Inzwischen war nämlich der Europäische Gerichtshof "in die Verhandlung gegrätscht", wie es Richter Barwitz ausdrückte. In einem Urteil vom 4. Juli dieses Jahres hatte der EuGH entschieden, dass die Höchst- und Mindestsätze der deutschen HOAI rechtswidrig sind. Und demnach, schlussfolgerte das Oberlandesgericht, könne das Büro für Restaurierungen sich nun auch nicht mehr auf eben jene Honorarordnung berufen.

Es ging dann in der Verhandlung noch eine Weile hin und her: Der Anwalt der Kläger vertrat die Ansicht, dass der Spruch des EuGH in diesem Fall nicht ausschlaggebend sei, weil der Vertrag Jahre zuvor geschlossen worden war. Der Vertreter des Freistaats war wenig überraschend gegenteiliger Meinung und warnte auch, dass wegen der angeblichen Mängel sogar noch Forderungen auf die Kläger zukommen könnten. Der Vorsitzender Richter Barwitz schlug den Restaurierungsberatern schließlich vor, auf das Angebot des Freistaats einzugehen, dass die Restforderung von 40 000 Euro beglichen wird. So könne ein jahrelanges Verfahren mit dem Einsatz teurer Sachverständiger vermieden werden. Die Parteien einigten sich, dass der Restbetrag bezahlt wird: allerdings brutto und mit Zinsen, was etwa 50 000 Euro ausmacht. Ein Ortstermin in Schloss Neuschwanstein wird also nicht mehr nötig sein.

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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