Garmisch-Partenkirchen:Skepsis bei Olympia-Bewerbung

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Von wegen Euphorie: Nur 57 Prozent der Garmischer befürworten die Winterspiele 2018. Tourismusforscher glauben zu wissen, warum.

Heiner Effern

Eineinhalb Jahre vor der Vergabe der Winterspiele 2018 ist im Austragungsort Garmisch-Partenkirchen von olympischer Euphorie nichts zu spüren. Nur jeder zweite Einwohner (57 Prozent) steht voll hinter der Bewerbung von München und Garmisch-Partenkirchen. Mehr als ein Viertel (27 Prozent) ist strikt dagegen. Jeder Siebte hat sich noch nicht entschieden, der Rest wollte sich nicht äußern.

(Foto: Foto: AP)

Das ergab eine Umfrage der Hochschule München, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Derzeit gibt es keine tragende Mehrheit für Olympia 2018 in Garmisch-Partenkirchen. Die knappe Mehrheit der Befürworter geht teils von recht vagen Vorstellungen aus", sagt Touristikprofessor Thomas Bausch, der die Studie verantwortet. "Der Wissensstand der örtlichen Bevölkerung ist erschreckend gering."

Der in Garmisch-Partenkirchen lebende Bausch wertete für die Umfrage 319 Fragebögen aus, die von seinen Studenten in persönlichen Gesprächen am 18. und 19. November vergangenen Jahres erhoben wurden. Befragt wurden Personen ab 16 Jahren, die ihren Hauptwohnsitz in Garmisch-Partenkirchen haben. Die Umfrage sei "als repräsentativ einzustufen", sagt Bausch.

Wie wenig sich die Garmischer bisher emotional auf die Bewerbung einlassen, zeigt auch die Frage nach einem möglichen persönlichen Engagement: Nicht einmal jeder Dritte erklärte sich bereit, sich ehrenamtlich einzubringen.

Die noch stark ausbaufähige Unterstützung für die Bewerbung erklärt Tourismusforscher Bausch vor allem mit der Informationspolitik der Bewerbungsgesellschaft und der Gemeinde. Selbst unter den Befürwortern der Bewerbung zeigten sich nur knapp die Hälfte mit den Auskünften zufrieden, die die Bürger erhielten. Für die Gegner ist die Informationspolitik sogar einer ihrer Hauptkritikpunkte: 80 Prozent fühlen sich schlecht unterrichtet.

Ein weiterer Grund für den mäßigen Kenntnisstand liegt zudem bei den Menschen selbst. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung gab an, sich nur ab und zu oder gar nicht über die Bewerbung zu informieren. "Eine breite Informationskampagne fehlt, Informationsabende, die vom Bürger verlangen, sich aktiv zu informieren, können dieses Defizit bisher nicht ausräumen", sagt Bausch.

Mehr als die Hälfte der Bürger gab an, das Logo der Bewerbung nicht zu kennen. Auch die Kosten für die Ausrichtung haben sich noch kaum herumgesprochen. Fünf Alternativen von 200 Millionen Euro bis fünf Milliarden hatten die Befragten zur Auswahl. Nur ein Drittel entschied sich für die in den Medien kurz zuvor verbreiteten Kosten von etwa 3,1 Milliarden Euro. 60 Prozent schätzten die Kosten auf die Hälfte oder weniger.

Bausch stellt deswegen eine "verschwommene Vorstellung der Bürger" von den Winterspielen 2018 fest. Mehr als 40 Prozent der Befragten glaubten noch im vergangenen November, dass auch Eishockey in Garmisch ausgetragen werde. Ein Drittel sah die Eiskunstlaufwettbewerbe im Heimatort. Beides war jedoch niemals geplant. "Offensichtlich gibt es bei vielen Bürgern noch das Wunschbild von umfassenden Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen", heißt es in der Studie.

Sorge um die Gemeindefinanzen

Den größten Nutzen von möglichen Winterspielen erwarten die Garmisch-Partenkirchner für den Tourismus. 40 Prozent stellten dies an die erste Stelle, fast gleichwertig dahinter war die Steigerung des Bekanntheitsgrades des Ortes. Nur gut zehn Prozent nannten die beiden großen Tunnelprojekte, die das Ortszentrum vom Verkehr entlasten sollen.

Die größten Befürchtungen hegen die Befragten wegen der Gemeindefinanzen. Fast jeder Dritte nannte die Verschuldung an erster Stelle auf der Sorgenliste. Danach folgten die Ängste vor einem Verkehrschaos und vor Eingriffen in die Natur. Jeder Fünfte hegt keinerlei Befürchtung, dass die Winterspiele seinen Ort beeinträchtigen könnten.

Auf die persönlichen Lebensumstände würden sich nach Meinung der Garmischer und Partenkirchner Winterspiele kaum auswirken. 61 Prozent erwarten keine oder nur eine geringe Einschränkung, 64 Prozent vermuten, dass sie nur einen geringen oder gar keinen Nutzen aus der Veranstaltung ziehen können.

Bürgerentscheid nicht ausgeschlossen

"Die weitgehend unspezifischen Hoffnungen der Bevölkerung zeigen zudem, dass es bisher nicht gelungen ist, den Bürgern zu vermitteln, inwieweit Olympische Winterspiele 2018 tatsächlich einen Beitrag zu einem dauerhaften Wiederaufschwung ihres Ortes leisten können", schreibt Bausch in der Studie.

Sollte, wie von Gegnern der Bewerbung angekündigt, in Garmisch-Partenkirchen ein Bürgerentscheid kommen, erwarten 77 Prozent einen Sieg der Befürworter. Gut die Hälfte der Befragten rechnet mit einer knappen Zustimmung, 19 Prozent gehen von einer knappen Ablehnung aus. Ein deutliches Zeichen pro Olympia, das heißt: einen hohen Abstimmungssieg, erwartet nur jeder vierte Garmisch-Partenkirchner.

© SZ vom 21.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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