Führungskrise:Offener Bruch

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Nur vier Minuten stellten sich Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn den Journalisten, dann brachen die AfD-Fraktionschefs die Pressekonferenz ab. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Landtags-AfD wählt Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn zu ihren Chefs - aber nur zwölf von zwanzig Abgeordneten kommen zur Abstimmung

Von Johann Osel und Wolfgang Wittl, München

Nach zweieinhalb Minuten brechen Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn ihre improvisierte Pressekonferenz wegen einer unliebsamen Frage zum ersten Mal ab, nach vier Minuten verabschieden sich die beiden endgültig. Aber was will man auch groß sagen über eine Wahl, von der vorher schon feststand, wie sie ausgehen würde? Einstimmig wurden Ebner-Steiner und ihr bisheriger Stellvertreter Hahn am Freitag zu den Chefs der AfD im bayerischen Landtag gewählt. Was weniger beeindruckend ist, als es klingt, wenn man weiß, dass lediglich zwölf von 20 Abgeordneten anwesend waren.

Offensichtlicher kann eine Fraktion ihren Bruch nicht zur Schau stellen: Zwölf Abgeordnete wählen den neuen Vorstand, acht bleiben demonstrativ fern. Schon vorher war aus Kreisen des gemäßigten Lagers zu hören, dass nicht alle an der Wahl teilnehmen würden, weil sich eh der völkische "Flügel" um Ebner-Steiner durchsetzen werde. Die Sitzung könne man sich sparen. Ebner-Steiner verspricht hinterher, auf diejenigen, die nicht da waren, werde man zugehen und "sehen, dass wir eine gemeinsame Arbeitsbasis finden".

Franz Bergmüller, Anne Cyron und Christian Klingen, die der Sitzung wie weitere fünf Abgeordnete ferngeblieben waren, nannten die Wahl in einer Stellungnahme "pseudodemokratisch". Die Versuche, gemeinsam "eine maßvolle, bürgernahe Politik anzustreben, sind offenbar gescheitert." Der ebenfalls abwesende Gerd Mannes sagte der SZ, die Kritiker seien für die Sitzung "nur beigeladen" worden, für ihn seien da Termine im Wahlkreis eine sinnvollere Beschäftigung. Das Lager um Ebner-Steiner habe "die Chance verschenkt, die Fraktion zu befrieden. Es wurde kein Millimeter auf die Kritiker zugegangen". Er war als gemäßigter Herausforderer Ebner-Steiners gehandelt worden.

Der neue Co-Vorsitzende Hahn hingegen sprach von einer demokratischen Entscheidung: "In der Demokratie, wissen Sie, da zählen Mehrheiten." Er gilt zwar als eher liberal, hatte aber im ersten Jahr der Fraktion die Führungsriege mit gestützt. Kritiker sehen seine Wahl an die Spitze als Versuch, nach außen breit aufgestellt zu wirken, tatsächlich aber einen nahezu Flügel-dominierten Vorstand zu haben. Ebner-Steiner und Hahn verteidigten die kurzfristige Ansetzung der Wahl. Dass sie trotz eines Verlegungsantrags nicht verschoben worden sei, begründete Hahn damit, es sei fristgerecht geladen worden.

Die Querelen hatten sich im ersten Jahr der Fraktion verschärft, es ging nicht nur um den Richtungskampf. Markus Plenk, mit dem Ebner-Steiner anfangs eine Doppelspitze bildete, und Raimund Swoboda verließen die Fraktion. Im Sommer lagen die Lager exakt gleichauf. In einer Krisensitzung endete eine Vertrauensfrage zehn zu zehn - Patt. Kürzlich bei einer Klausur im schwäbischen Wemding hat sich dieses Patt offenbar verschoben - zugunsten Ebner-Steiners und ihrer Flügel-Leute.

Dabei sollen finanzielle Zulagen für einzelne Abgeordnete eine Rolle gespielt haben, etwa für den stellvertretenden Parlamentarischen Geschäftsführer Ferdinand Mang, der nun ebenfalls in seinem Amt bestätigt wurde. Der Nürnberger Jurist soll zeitweise zum gemäßigten Lager tendiert haben; jetzt konnte der Flügel angeblich auf seine Unterstützung zählen. Allgemein sei der Topf für Zulagen um 10 000 Euro erhöht worden, um "Leute zu befriedigen", wie es in Fraktionskreisen heißt.

Mannes nennt die Erhöhung der Fraktionszulagen "enttäuschend". Er habe sich für die komplette Streichung ausgesprochen. "Die AfD sollte mit Steuerverschwendung nicht in Zusammenhang gebracht werden." Ebner-Steiner wies alle Vorwürfe zurück, wonach Abgeordnete "eingekauft" worden seien - "kompletter Blödsinn". Es gebe vielmehr "im Zuge der Professionalisierung der parlamentarischen Arbeit" weitere Aufgaben, die "entsprechend vergütet" werden - ohne Bezug zur Wahl des Vorstandes. Der SZ sagte Ebner-Steiner, die Stimmung auf der Klausur sei gut gewesen, ein externer Mediator habe dem Team eine "gemeinsame Zielsetzung" bescheinigt. Die rasch angesetzte Neuwahl folgte ausschließlich diesen Zeichen der Versöhnung - "damit wir nicht länger gegenseitig auf uns rumhacken."

Kritiker berichten dagegen, die Stimmung in Wemding sei "zum Gefrieren" gewesen. Den Termin mit dem Mediator habe der Flügel fast unter sich abgehalten. Bergmüller, Cyron und Klingen erklärten ihr Fernbleiben am Freitag so: Sie wollten nicht wie schon bei der ersten Wahl 2018 "lediglich als Statisten in einem abgekarteten Spiel" fungieren. Hahn, Professor für Geografie und Landschaftsökologie, hat sich bisher fachlich fast nur in seinem Metier geäußert. Manche spötteln: Wenn's nicht um seine Käfer oder das Sommergoldhähnchen gehe, "hat der keine eigene Meinung. Ein Feigenblatt für den Flügel". In ihren Ämtern bestätigt wurden am Freitag der Parlamentarische Geschäftsführer Christoph Maier sowie die Fraktionsvizes Richard Graupner und Roland Magerl. Ebner-Steiner sagte: "Der Vorstand wird seine erfolgreiche Arbeit mit großem Elan fortsetzen." Ob der Flügel nun endgültig die Macht übernommen habe? "Nein."

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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