Falscher Mediziner vor Gericht:Arzt in Wahrheit ein Kfz-Mechaniker

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Ein weißer Kittel macht noch lange keinen Arzt: In Schweinfurt steht ein falscher Mediziner vor Gericht. (Foto: dpa)

Er wirkte hochseriös, war beliebt bei Patienten und soll nachhaltige Heilungserfolge erzielt haben. Das Problem: Er war gar kein Arzt, sondern Kraftfahrzeugmechaniker. In Schweinfurt hat der Prozess um einen falschen Mediziner begonnen.

Von Olaf Przybilla

Einen hochseriösen Eindruck soll er gemacht haben und so schön reden und zuhören konnte er, rühmen ihm die Patienten nach. Und vor allem: Die Therapien des 61-Jährigen sollen oft nachhaltig angeschlagen haben. Trotzdem muss sich Otto H. nun vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten, unter anderem wegen Titelmissbrauchs und gefährlicher Körperverletzung. Denn er ist kein Internist, sondern Kraftfahrzeugmechaniker.

Am zweiten Verhandlungstag sagen die gehörnten Patienten aus, der Sachverhalt ist immer derselbe: H. habe sich als "Doktor Otto" vorgestellt. Dass man sich auf dem Land duze, auch den Arzt, sei üblich, sagt ein Zeuge. Gelegentlich soll H. auch den Doktor weggelassen haben, aber den habe es sowieso nicht mehr gebraucht. Denn nach kürzester Zeit hatte es sich ja rumgesprochen im Kreis Rhön-Grabfeld, in Stockheim, Fladungen und Umgebung: Da ist ein Heilpraktiker, Umweltmediziner und Internist in die Region gezogen, der Mann hat einen imposanten Lebenslauf. Eine Klinik im Schwarzwald hat er betrieben, zusammen mit einem Professor. Später war er 15 Jahre Notarzt, Hubschrauberflüge inbegriffen. Und er leitete eine Praxis im Badischen, bis private Umstände ihn nach Unterfranken verschlugen. Wie man ihn dort als Arzt aufzusuchen hatte, war auch in der infrastrukturell nicht übermäßig gesegneten Südrhön eher ungewöhnlich. Meist praktizierte H. vom Hotelzimmer aus, manchmal auch in Pensionen.

Aber der Mann in Weiß hielt ja eine gute Antwort bereit für seine Hoteltherapien. Das Ärztehaus im nahen Mellrichstadt sei noch nicht so weit, da müsse es eben auch mal so gehen. Außerdem sei das alles sehr angenehm gewesen, berichtet eine 29-jährige Arzthelferin. Für 25 Euro bekam sie ein Zimmer mit Vollpension, inklusive Therapie von Doktor Otto. "25 Euro?", fragt der Vorsitzende Richter, "da scheint die Welt noch in Ordnung zu sein." Wie dem auch sei, sagt die ehemalige Patientin, ums Geld sei es dem Mann jedenfalls nicht gegangen. Und ihr schwerer Burn-out sei an einem Wochenende plus Zusatzsitzung therapiert worden: Ein paar Spritzen, viele gute Worte und sie sei "freudestrahlend" nach Hause gegangen. Sie wisse nicht, wo sie ohne den 61-Jährigen geblieben wäre. In eine Psychiatrie habe sie sich schon einweisen wollen, habe dies nur unterlassen, weil man nicht wisse, "ob man da wieder rauskommt, wenn man mal drinnen ist". Unterm Strich wolle sie kein böses Wort verlieren über den Mann, im Gegenteil.

Eine Bäckereifachverkäuferin sieht das ganz anders. Sie leidet unter chronischem Durchfall seit 20 Jahren, Otto H. habe sie ihre Leidensgeschichte anvertraut, samt privater Details. Sechs Wochen habe sie kaum noch schlafen können, als sie erfahren habe, einem Kfz-Mechaniker aufgesessen zu sein. Nur die Probleme mit dem Durchfall, die seien viel weniger geworden seither.

H. hatte am ersten Verhandlungstag gestanden, sein Geständnis aber "mit vielen Legenden garniert", kritisiert der Richter. Etwa mit der Geschichte, er habe bei Porsche als Rettungssanitäter gearbeitet. Der Richter schlägt vor, dass H. "diese Storys" selbst aus der Welt schafft in den nächsten Verhandlungssitzungen. Otto H. will darüber nachdenken.

© SZ vom 19.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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