Erlangen:Mord an jüdischem Verleger: Zweifel an der Einzeltätertheorie

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Am 19. Dezember 1980 wurde Shlomo Lewin erschossen. Die genauen Tatumstände sind bis heute unklar. (Foto: DB Staedele/dpa)
  • Vor 35 Jahren wurden der jüdische Verleger Shlomo Lewin und seine Partnerin Frieda Poeschke mit einer Maschinenpistole erschossen.
  • Der Anhänger der verbotenen "Wehrsportgruppe Hoffmann", Uwe Behrendt, wurde damals verurteilt.
  • Nun gibt es Zweifel, ob er wirklich der einzige Täter war. Eine Landtagsabgeordnete fordert Aufklärung.

Von Olaf Przybilla, Erlangen

Für Innenminister Joachim Herrmann ist dieser Samstag ein trauriges Datum. Vor 35 Jahren, am 19. Dezember 1980, wurden der jüdische Verleger Shlomo Lewin und seine Partnerin Frieda Poeschke in ihrer Erlanger Wohnung mit einer Maschinenpistole erschossen.

Beide waren in der Stadt keine Unbekannten: Poeschke als Witwe des früheren Oberbürgermeisters, Lewin als vormaliger Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde und als einer, der gegen rechtsextremistische Umtriebe kämpfte. Für Herrmann hat der Fall aber auch eine persönliche Nuance: Er ist aufgewachsen als Nachbar des Paares. Die Tat habe ihn "fassungslos" gemacht, sagt er.

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Wie das Gericht damals urteilte

Als Täter wurde 1984 Uwe Behrendt, ein fanatischer Anhänger der 1980 verbotenen paramilitärischen "Wehrsportgruppe Hoffmann", verurteilt. Zur Rechenschaft konnte er aber nicht mehr gezogen werden. Behrendt soll sich zuvor im Libanon umgebracht haben, wo er sich in einem Lager der palästinensischen Fatah ausbilden ließ. War er ein Einzeltäter? Persönlich habe er Zweifel an der Theorie, sagt Herrmann, es gebe aber ein rechtskräftiges Urteil.

Die Erlanger Abgeordnete Alexandra Hiersemann (SPD) geht noch einen Schritt weiter. Sie will eine Überprüfung des Falles, zumal die Parallelen zwischen dem Oktoberfestattentat und dem Erlanger Doppelmord evident seien, sagt sie. In beiden Fällen spielte das Umfeld der Wehrsportgruppe eine Rolle, in beiden setzte sich die These vom angeblichen Einzeltäter durch.

Es wäre polemisch, ohne neue Fakten eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu fordern, sagt sie. Dafür gebe es hohe juristische Hürden. Aber den Ungereimtheiten in dem Fall neu nachzugehen, hält sie für eine Pflicht. Zumal, wie bei den NSU-Morden, auch im Erlanger Fall zunächst im privaten Umfeld der Opfer gefahndet wurde. Auf die Spur von Behrendt waren die Ermittler zunächst nicht gekommen.

Warum Hoffmann selbst nicht belangt wurde

Karl-Heinz Hoffmann, der Gründer der Wehrsportgruppe, konnte für den Doppelmord nicht verantwortlich gemacht werden. Zwar führte eine Spur zu ihm. Aber die leicht getönte Damenbrille, die am Tatort gefunden wurde und seiner damaligen Freundin gehört haben soll, reichte dem Nürnberger Landgericht als Indiz nicht aus.

Dass Hoffmann an der Tat seines Verehrers Behrendt beteiligt gewesen sein soll, konnte der Staatsanwalt nicht beweisen. Von Behrendts "Wahnsinnsklops" habe er sich ausdrücklich distanziert, hatte Hoffmann vor Gericht behauptet. Behrendt soll angeblich nach der Tat zu Hoffmann gesagt haben: "Ich hab's ja auch für Sie getan. Sie hätten ja doch nie was gemacht."

An diesem Sonntag erinnert die Stadt Erlangen mit einer Gedenkveranstaltung an der Lewin-Poeschke-Anlage an die Tat vor 35 Jahren.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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