Einrichtungen sind übervoll:Forensik-Reform könnte dauern

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Bezirke sehen Problem darin, Patienten umzuverteilen

Von Dietrich Mittler, München

Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) hat Anfang der Woche angekündigt, die Unterbringung von psychisch kranken Straftätern grundlegend zu reformieren. Sie weckte damit große Hoffnungen, insbesondere in Straubing. Im dortigen Bezirkskrankenhaus (BKH) sitzen derzeit noch besonders gefährliche Patienten ein. Nicht wenige Einwohner der Stadt empfanden dies stets als latente Bedrohung. Hoffnungen wurden indes auch bei Forensik-Patienten im Straubinger BKH geweckt. Die nämlich setzen darauf, dass endlich auch sie begleiteten und unbegleiteten Ausgang bekommen. In all den Jahren zuvor war ihnen das verwehrt - mit dem Hinweis auf den Status der Einrichtung als "Sonderanstalt".

Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung droht die von Schreyer angekündigte Reform - in deren Folge soll sich das BKH Straubing nicht mehr von den übrigen 13 Erwachsenen-Forensiken in Bayern unterscheiden - länger zu dauern, als sich das viele erhofft haben. Bayerns Bezirke gehen davon aus, dass sich die Forensikreform "über Jahre" erstrecken wird. Damit aber liegt neuer Streit in der Luft: Der Grünen-Landtagsabgeordnete Toni Schuberl etwa, der die Forensik-Reform beharrlich eingefordert hat, will längere Verzögerungen nicht hinnehmen. "Natürlich ist das ein schrittweiser Prozess", sagt er, "aber ich fordere ein, dass das jetzt zügig umgesetzt wird."

Auch der Münchner Rechtsanwalt Adam Ahmed ist alarmiert. Anfang des Jahres hatte Ahmed vor Gericht durchgesetzt, dass in Straubing erstmals ein BKH-Patient sogenannte Vollzugslockerungen zugestanden bekam. Und damit auch Ausgang als Vorbereitung auf seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. "Dass die Umsetzung der Pläne von Sozialministerin Schreyer Zeit in Anspruch nehmen wird, ist klar", sagte Ahmed, "aber das kann nicht Jahre dauern." Wenn im BKH Straubing Forensik-Patienten weiterhin Vollzugslockerungen gegen geltendes Recht verwehrt blieben, dann erfülle das den Tatbestand der Freiheitsberaubung. "Wenn der Reformprozess tatsächlich Jahre in Anspruch nimmt, dann wird es eine Flut von Entschädigungsansprüchen geben", warnte er.

Aus Sicht der Bezirke gibt es indes gewichtige Gründe dafür, dass die Reform längere Zeit braucht. Und das liege beileibe nicht an den baulichen Sicherheitsstandards - die seien längst in ganz Bayern hoch. Sondern daran, dass Bayerns Forensik-Einrichtungen übervoll seien. Insbesondere mit suchtkranken Straftätern, die ihre Taten im berauschten Zustand begangen haben. Ihr Anteil in den forensischen Kliniken hat sich seit 1995 mehr als vervierfacht. Schon allein deren Anzahl erschwere eine Umverteilung von Straubinger Patienten auf andere Häuser im Freistaat.

"Da geht es jetzt um die innere Sicherheit", sagt Celia Wenk-Wolff, die Chefin des Referats Gesundheit und Psychiatrie beim Bayerischen Bezirketag. "Wir müssen für alle Patienten eine gute, verträgliche Lösung finden", sagt sie. Einerseits müsse für die Patienten, die dann aus Straubing in andere Einrichtungen kommen, "ein aufnehmendes Umfeld" für die Zeit nach ihrer Entlassung gefunden werden. Umgekehrt aber müsse auch darauf geachtet werden, dass in jenen BKHs, die Straubinger Patienten aufnehmen, "der Stationsfrieden" gewahrt bleibe. Auf Fachebene gebe es indes keinen Zweifel daran, dass an der nun in die Wege geleiteten Reform kein Weg vorbeiführt. Am 10. Oktober will sich der Bezirketag auch auf politischer Ebene mit der Reform auseinandersetzen.

© SZ vom 17.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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