Eingesperrte Kinder:Caritas verwahrt sich gegen Generalverdacht

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Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) will nach den Berichten über in Behindertenheimen weggesperrte oder zwangsfixierte Kinder und Jugendliche nun auch die Heimrichtlinien und die Gesetzeslage daraufhin überprüfen, "ob neue Qualitätsstandards oder weiterführende Regelungen nötig sind". Um ein Bild von der Lage zu bekommen, hat Müller eine Prüfung aller bayerischen Behindertenheime angeordnet. Im Mittelpunkt stehe dabei "das Wohl der Kinder", sagte die Ministerin, betonte aber auch: "Wir stellen niemanden unter Generalverdacht."

Gegen generelle Anschuldigungen zu Lasten der Heime und ihrer Mitarbeiter verwahrte sich am Mittwoch indessen Landescaritas-Direktor Bernhard Piendl. Unabhängig von den derzeit im Raum stehenden konkreten Vorwürfen sei durch einige Medienberichte der Eindruck entstanden, "die genannten Maßnahmen würden im großen Stil missbräuchlich als eine Art Strafmaßnahme oder als Ersatz für andere pädagogische Erfordernisse angewendet". Dieser Generalverdacht sei nicht gerechtfertigt, sagte Piendl. Vielmehr hätten die Einrichtungen "fachlich fundierte Konzepte" entwickelt. "Diese reichen von Fixierungen am Rollstuhl bis hin zur Betreuung in gesonderten Räumen, und sie werden nur dann eingesetzt, wenn Eigen- oder Fremdgefährdung droht", erklärte er.

Wie die Staatsanwaltschaft Traunstein auf Anfrage bestätigte, ermittelt sie derzeit noch in einem konkreten Fall gegen die katholische Behinderteneinrichtung "Franziskushaus" in Au am Inn. Bereits im Juli 2012 war bei den Ermittlern eine erste Strafanzeige "wegen rechtswidrigen Freiheitsentzugs" an behinderten Heimkindern eingegangen. Der Anzeigeerstatter, Franz Kurzmeier aus Gars, der seinerzeit in der Behinderteneinrichtung in Au arbeitete, hatte 20 Fälle aufgelistet und dann explizit auch Tagespläne sowie "Einschlussdokumentationen" der betroffenen Stationen beigefügt, in denen die Gründe für die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen aufgelistet sind. Da heißt es unter anderem "Schreit beim Zähneputzen", "Verweigerung Medikamente", "Verweigerung Duschen". Die Staatsanwaltschaft Traunstein sah bei dieser Anzeige aber von Ermittlungen ab. "Welche Alternativen zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen unter Berücksichtigung des Wohles der Bewohner möglich gewesen wären, ist fraglich", hieß es in der Begründung.

© SZ vom 14.04.2016 / dm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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