Direkte Demokratie:Gewerbe­gebiet, Park und Bürgermeisteramt

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Oft stehen Bauvorhaben im Zentrum von Bürgerentscheiden. Diese Form der direkten Demokratie ist in Bayern im bundesweiten Vergleich besonders beliebt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Am Wahltag stehen in einigen Gemeinden Bürgerentscheide an

Von Maximilian Gerl und Christian Sebald, München

Wer ein Beispiel für den galoppierenden Flächenfraß in Bayern sucht, der wird in Himmelkron fündig. Die 3600-Einwohner-Gemeinde liegt im Landkreis Kulmbach direkt an der A 9. Jetzt will Himmelkron, wo es bereits weitläufige Gewerbegebiete gibt, ein weiteres einrichten. Im Norden der Gemeinde sollen 24 Hektar Grund für Firmen erschlossen werden. Die Gewerbefläche in der Gemeinde würde auf einen Schlag um 50 Prozent anwachsen. Eine Initiative, die von der örtlichen Bund-Naturschutz-Chefin Wilhelmine Denk angeführt wird, wehrt sich gegen die Pläne. Am Sonntag, 26. Mai, dem Tag der Europawahl, stimmen die Himmelkroner per Bürgerentscheid und Ratsbegehren ab.

Anders als vielen Gemeinden im nördlichen Oberfranken geht es Himmelkron wirtschaftlich sehr gut. Das liegt an den 50 Hektar großen Gewerbegebieten an der A 9 mit ihrem breiten Branchenmix, die seit den frühen 1990er-Jahren in der Gemeinde ausgewiesen worden sind. Dort residieren ein Filter-Hersteller, ein Holzbau-Unternehmen, Logistiker, Fahrzeugbauer, ein Großbäcker und allerlei weitere Mittelständler und Handwerker. Alles in allem gibt es 2500 Arbeitsplätze in Himmelkron, die Gewerbesteuererlöse betragen um die 2,5 Millionen Euro im Jahr.

Für Bürgermeister Gerhard Schneider (CSU) ist das neue Gewerbegebiet Voraussetzung dafür, dass die Region weiter prosperiert. "Wir haben da eine Verantwortung", sagt Schneider. "Dank unserer vielen Arbeitsplätze sind wir Schrittmacher für das gesamte Gebiet zwischen Fichtelgebirge und Frankenwald." Tatsächlich pendeln jeden Tag 2000 Auswärtige zwischen ihren Heimatorten und ihren Arbeitsplätzen in Himmelkron hin und her. Außerdem betont Schneider, dass das Gewerbegebiet von langer Hand geplant ist. "Es steht seit 2000 im Flächennutzungsplan", sagt er. "Es kommt nicht über Nacht."

Die Kritiker beklagen, dass Himmelkron schon jetzt im Verkehr ersticke. "Mit dem neuen Gewerbegebiet verschärft sich die Belastung", sagt BN-Ortschefin Denk. "Außerdem gehen wertvolle Freiflächen verloren, ein Biotop in der Nähe wird empfindlich gestört." Denk zweifelt an, dass Himmelkron auf neue Arbeitsplätze angewiesen ist. In Ortschaften in der Nähe stünden etliche Gewerbeflächen leer. Wie die Himmelkroner denken, ist offen. Weder Bürgermeister Schneider, noch die BN-Ortschefin Denk wagen eine Prognose über den Ausgang der Abstimmungen.

Auch anderswo werden die Menschen am 26. Mai ihren Willen zu lokalen Projekten kundtun. Mehrere Gemeinden in Bayern nutzen die Gelegenheit, um über Rats- oder Bürgerbegehren abstimmen zu lassen. Die Themen sind vielfältig. So entscheiden in Neumarkt in der Oberpfalz die Bürger darüber, was mit ihrem Stadtpark geschieht. Gegen die ursprünglichen Umbaupläne hatte der Bund Naturschutz mobilisiert. Zur Wahl steht nun unter anderem, ob im Park mehr als "100 von der Fällung bedrohte Bäume" sowie "Büsche, Sträucher und Unterholz" als Lebensraum für Heckenbrüter erhalten bleiben sollen.

In Burglengenfeld (Landkreis Schwandorf) wird über das Bildungswesen abgestimmt. Eigentlich hatte der Stadtrat beschlossen, die Grundschule angesichts wachsender Schülerzahlen zu erweitern. Doch die Unterstützer des Begehrens "Kleine Kinder - kleine Schulen - kurze Wege" sähen lieber einen eigenständigen zweiten Grundschulstandort.

In Markt Euerdorf (Landkreis Bad Kissingen) geht es um den Status des Bürgermeisteramts: Soll dieses künftig ehrenamtlich geführt werden? Bislang ist das in Euerdorf ein Hauptamt, doch kreisangehörige Gemeinden mit bis zu 10 000 Einwohnern können sich frei für eine von beiden Varianten entscheiden. Hauptamtliche Bürgermeister sind als Beamte auf Zeit beschäftigt, was für den Markt einen finanziellen Aufwand von etwa 100 000 Euro pro Jahr bedeutet. Dafür können sie sich voll auf ihre Amtsgeschäfte konzentrieren. Ehrenamtliche Bürgermeister üben den Posten nebenberuflich aus und erhalten eine Entschädigung, die im Fall Euersdorf zwischen 42 500 und 63 000 Euro jährlich liegt - den Ehrensold, der im Ruhestand bezahlt wird, noch nicht eingerechnet.

Und die Straubinger beschäftigen sich mit der Frage, ob die Stadt die planungsrechlichten Voraussetzungen schaffen soll, um eine Verbrennungsanlage für Klärschlamm zu errichten. Davon haben sich in der örtlichen Kläranlage inzwischen einige Tonnen angesammelt. Streitpunkt ist die Größe der Verbrennungsanlage. Die Stadt plant eine Jahresdurchsatzmenge von maximal 120 000 Tonnen, auch weil sich dann über die Anlage Energie gewinnen ließe. Kritiker befürchten unter anderem, dass eine zu große Anlage den Lkw-Verkehr und damit den Schadstoffausstoß befeuern könnte, weil umliegende Kommunen ihren Schlamm nach Straubing transportierten.

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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