CSU ohne Führungsalternativen:Basta mit basta

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Die CSU-Basis beklagt sich über Seehofers Führungsstil. Vielen reicht es mit dem Hin und Her in der Partei. Dennoch finden sie, dass es keine Alternative zu ihm gibt.

Sechsmal schon war Thorsten Freudenberger für die CSU in einem Bundestagswahlkampf aktiv, jedes Mal seit 1990. Aber so etwas wie heuer hat er noch nie erlebt: "Mich haben CSU-Mitglieder angesprochen und gesagt, dass sie diesmal nicht die CSU wählen können, sondern ihre Stimme splitten müssen", erzählt Freudenberger. Parteifreunde, die die FDP wählen - das, sagt der 36-Jährige, der inzwischen der CSU-Kreischef von Neu-Ulm ist, sei "schon ernüchternd" gewesen.

Und er glaubt auch den Grund dafür zu kennen. Dass Horst Seehofer, der CSU-Chef, im Wahlkampf derart die FDP angegriffen habe, sei ein "Riesenfehler" gewesen. Aber Freudenberger verzeiht ihm: "Jeder Mensch macht mal Fehler." Nahezu wortgleich sagt das auch Franz Lichtnecker aus Eggenfelden: Es wäre "zu einfach und nicht ehrlich, ihm das alleine aufzubürden".

An diesem Mittwoch ist es genau ein Jahr her, dass Seehofer als neuer Parteichef auf den Schild gehoben wurde. Doch während damals, nach dem Debakel bei der Landtagswahl, CSU-Chef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein gehen mussten, will die CSU nun, nach ihrem Absturz bei der Bundestagswahl, keine Personaldebatte führen. In der Parteispitze nicht, an der Basis nicht. "Die Partei trägt die Verantwortung", sagt Lichtnecker, der auch im CSU-Bezirksvorstand von Niederbayern sitzt.

"Um Seehofer kommen wir derzeit nicht herum", analysiert Johann Lenz, der stellvertretende CSU-Kreischef von Straubing. "Dem droht nicht dasselbe wie Erwin Huber." Weil es keine Alternative gebe, sagt Klaus Bittermann, CSU-Kreisrat in Main-Spessart. Aber niemand könne bestreiten, "dass die Karre momentan ganz tief im Dreck steckt". Bittermann setzt auf den nächsten Parteitag, um dort einmal "Tacheles" zu reden.

Ein Lob für Guttenberg

Denn die Verunsicherung ist groß. Vor allem die Kommunalpolitiker schütteln den Kopf. In den Rathäusern müsse man tun, was man ankündige, sagt Toni Dutz, der Bürgermeister von Wiesau im Landkreis Tirschenreuth. "Für und gleichzeitig gegen etwas zu sein - das können wir uns als Bürgermeister nicht leisten." Glaubwürdig sein, das fordern viele CSU-Aktive von ihrer Führung. Bei ihm in der Gemeinde Gottfrieding laufe das anders, sagt zum Beispiel Dutz' Kollege Gerald Rost. "Der Ministerpräsident hat etwas versprochen, aber keine klare Linie - in der Schulpolitik etwa." Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nennt er als ein Gegenbeispiel: "Der sagt, was Sache ist."

So weitergehen wie bisher dürfe es auf keinen Fall, fordert Alexander Kolb, der für die CSU im Augsburger Kreistag sitzt. "Es ist ja auch für die eigenen Leute schwer, bei ständigem Hin und Her zu folgen." Auch Kolb hält nichts davon, Seehofer jetzt in Frage zu stellen, er richtet den Blick in die Zukunft. Jetzt müsse die CSU "intern absprechen, was langfristig nach der Ära Seehofer passiert - und zwar nicht nur auf dem Chefsessel, sondern auch im erweiterten Führungskreis". Vier Jahre ohne Wahlen, das sei die Zeit, junge Leute in Position zu bringen, "damit es nicht wieder wie zuletzt zu abrupten Spontanentscheidungen kommt". Kolb ist der schwäbische Bezirksvorsitzende der Jungen Union.

Die Argumente fehlen

Etwas kritischer sieht das Gerhard Ringler aus Langerringen bei Augsburg. Viele Diskussionen müsse er auf der Straße führen, berichtet der CSU-Kreisrat, aber er habe leider schlechte Argumente. "Seehofer läuft als vermeintlicher Oberstratege jeder Strömung hinterher", klagt er. "Das kann nicht gutgehen, weil die Stammwähler ihrer politischen Heimat beraubt werden." Seehofers leere Versprechungen nehme doch niemand mehr ernst. Vielleicht habe er eine zweite Chance verdient, sagt der Landwirt, "aber ich bezweifle, dass er in der Lage ist, seinen Populismus abzulegen.

Sollte er es nicht schaffen, muss die Partei über Konsequenzen nachdenken". Und seinen Stil müsse Seehofer überdenken, fordert der OB von Dinkelsbühl, Christoph Hammer. Sich Sozialministerin Christine Haderthauer vorzuknöpfen, nur weil sie Franz Josef Strauß nicht in allem als Vorbild sehe, oder Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) eine Auslandsreise verbieten zu wollen - "da fragen sich die Leute: Haben wir denn da nichts Wichtigeres zu besprechen?", berichtet Hammer. Er zieht den Schluss: "Dieser Basta-Stil, der funktioniert so einfach nicht mehr."

Verständnis für die Probleme

Die CSU schwankt, was sie von Seehofers Stil halten soll. Selbst Bürgermeister Dutz, der mehr Glaubwürdigkeit fordert, attestiert Seehofer, "bei den Leuten" gut anzukommen. Sein Kollege aus Berchtesgaden, Franz Rasp, findet: "Er hat das Amt in einer sehr, sehr schwierigen Zeit übernommen und macht dafür seine Sache gut."

Wenn er über das Spitzenpersonal der CSU nachdenke, finde er zumindest keinen, dem er die Zukunft seiner Partei lieber anvertrauen würde. Wie viele andere an der CSU-Basis fordert Ulrike Rödl aus Neumarkt: "Wir müssen näher an den Menschen sein, mehr zuhören." Da aber sei die ganze Partei gefordert, nicht nur ihr Vorsitzender: "Es ist wie im Sport: Wieso sollten zuerst die Trainer gehen?"

Vor einem Jahr musste das CSU-Trainerduo die Hüte nehmen. Weil es, anders als heute, in Seehofer eine Alternative gab. Und noch etwas hat sich verändert. Beim Parteitag 2008 zeigten sich Verwerfungen zwischen Franken sowie Ober- und Niederbayern, die sich gegenseitig für das Wahldesaster verantwortlich machten. Dieses Thema spielt derzeit keine Rolle.

Von Max Hägler, Stefan Mayr, Olaf Przybilla, Heiner Effern, Kassian Stroh

© SZ vom 30.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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