CSU-Generalsekretär Scheuer:Dobrindt light

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Andreas Scheuer (CSU) wird neuer Generalsekretär. (Foto: dpa)

Ministerpräsident Seehofer ätzte, er sei ein Lausbub, der ein Praktikum in der Politik nötig habe. Nun wird Andreas Scheuer CSU-Generalsekretär. Mit Vorgänger Dobrindt hat er einiges gemeinsam - "Attacke kann er", heißt es in seiner Heimat.

Von Mike Szymanski und Wolfgang Wittl

Wenn Horst Seehofer einen Satz mit Liebe beginnt, ist oft höchste Gefahr angesagt, Andreas Scheuer weiß das. "Lieber Andi", hob der Regierungschef mit einer Stimme an, mit der ein Großvater seinem Enkel das Leben erklärt. Dann folgte eine Nachhilfestunde in politischer Machtausübung.

Es war die Donaufahrt vor einem Jahr. Scheuer, damals Verkehrsstaatssekretär, hatte versucht, den CSU-Chef beim Streit um den Donauausbau auflaufen zu lassen. Scheuer, ätzte Seehofer daraufhin, sei ein Lausbub, der erst mal ein Praktikum in Politik nötig habe. Dennoch macht er ihn nun zum CSU-Generalsekretär. Seehofers Praktikant also?

Scheuer muss das wegstecken. Er heftet diese Spitze für sich als "harte Diskussion im politischen Geschäft" ab. Warum auch nachtragend sein. Ihm hat es nicht geschadet. Seehofer erwarte Leistung und Loyalität. Auch der CSU-Chef gibt sich versöhnlich. "Wir sind doch Mannsbilder", belehrt Seehofer kurz nach Scheuers Wahl im Vorstand. Es habe weder Gegenstimmen noch Enthaltungen gegeben. Von Scheuer erwarte er, "dass er auf dem Niveau von Alexander Dobrindt weitermacht".

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Das Entwicklungshilfeministerium. Aha. Den Verkehrsminister. Toll. Und einen neuen Landwirtschaftsminister, der vorher Innenminister war. Vor kurzem konnte die CSU vor Kraft kaum gehen. Doch jetzt wird die große Politik ohne die Bayern gemacht. Wie die Christsozialen sich das schönreden, ist eine Stoffsammlung fürs Kabarett.

Ein Kommentar von Frank Müller

Damit dürfte Seehofer eher den späten Dobrindt meinen, der Intellektuellen-Brille trägt und Wahlkämpfe organisieren kann. Dobrindt hatte tatsächlich als Praktikant angefangen, jedenfalls gab es Auftritte im Fernsehen, bei denen es ihm regelrecht die Sprache verschlagen hatte. Er hat Jahre gebraucht, um Seehofers wichtigster Mann in Berlin werden zu können. "Leader" nennt Seehofer ihn schon.

Scheuer hat nicht viel Zeit, um sich einzuarbeiten. Im März sind Kommunalwahlen, im Mai Europawahlen. Ein Spaziergang wird das nicht. Selbst politische Gegner trauen Scheuer aber zu, dass er das Zeug zum CSU-General hat. In seiner Heimatstadt Passau gilt der 39-Jährige als jung und doch erfahren. Manch einer sieht in ihm einen eitlen Dampfplauderer, aber auch jemanden, der sich und die Partei gut verkaufen kann. Seine unregelmäßigen Auftritte im Stadtrat versteht er stets publikumswirksam mit Fragen zu inszenieren. Vor allem wisse Scheuer, wann er nachsetzen müsse. "Attacke kann er", heißt es.

650.000 Euro mehr vom Staat

In keiner anderen Partei steigt ein Generalsekretär so zuverlässig auf wie in der CSU. Fast jeder wurde irgendwann zum Minister, einige wurden Parteivorsitzender, Franz Josef Strauß, Max Streibl und Edmund Stoiber brachten es zum Regierungschef. Unter Stoiber begann auch Scheuers Laufbahn. Auf dessen Erfolgswelle wurde er als junger Mitarbeiter 2002 überraschend in den Bundestag gespült. Drei Jahre später raubte er seinem Parteifreund Klaus Rose das Direktmandat. Rose soll bis zum Schluss nicht geglaubt haben, dass Scheuer hinter seinem Rücken eine Mehrheit gegen ihn organisiere.

Ein wirkliches Wagnis ist Scheuers Berufung für die CSU nicht. Im Hauptquartier arbeitet hinter den Kulissen Seehofers wohl wichtigster Stratege: Hans Michael Strepp. Er war Seehofers Sprecher, bevor er mit einem Drohanruf beim ZDF vor einem Jahr selbst seinen Rauswurf befördert hatte. In der Landesleitung blieb er trotzdem, Seehofer hat nie viel auf die Beschwerde des Senders gegeben.

Neben Dobrindt ist Strepp der eigentliche Architekt des CSU-Wahlerfolges. Zur Belohnung hat Seehofer ihn zum Hauptgeschäftsführer der CSU bestellt. Der Apparat funktioniert also. Die Wahlerfolge haben die Partei saniert. Ersten Schätzungen zufolge könnte die CSU nach diesen Wahlen jährlich etwa 650.000 Euro mehr vom Staat erhalten.

Der Kreis der möglichen Generalsekretäre war gar nicht mal so klein und anfangs gehörte Scheuer nicht dazu: Thomas Silberhorn wurde genannt, Oberfranke und in Berlin vor allem als Außen- und Finanzpolitiker aufgefallen. Wie Peter Gauweiler ein Kritiker von Merkels Rettungsschirm-Politik beim Euro. Ein kluger Kopf, aber vom Auftreten her "zu professoral", hieß es.

Daniela Ludwig war im Gespräch, Abgeordnete aus Rosenheim. Im Wahlkampf war sie durch ihre zupackende Art aufgefallen. Eine Frau als Generalsekretärin hätte der CSU gut getan. Aber die Oberbayern sind bereits mit genügend einflussreichen Posten bedacht worden. Interessanterweise war eine Beförderung von Dorothee Bär, vom Amt her ja Vize-Generalsekretärin, nie eine ernsthafte Option für Seehofer. Sie darf nun Scheuers Platz im neuen Ministerium für Verkehr und Digitales übernehmen. Ihr Vorgesetzter bleibt: Dobrindt.

Und Stefan Müller hätte Seehofer die Aufgabe zugetraut. Vielleicht war er sogar sein Favorit. Der Parlamentarische Geschäftsführer ist als guter Manager aufgefallen - und das ist schließlich die Hauptrolle des Generalsekretärs, wenn man mal von Krawallmachen absieht. Aber der 38-jährige Franke wurde an anderer Stelle gebraucht. Seehofer wollte unbedingt einen Staatssekretär im CDU-geführten Wissenschaftsministerium installieren, weil er was für die bayerischen Hochschulen machen möchte.

Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel akzeptierte offenbar nur Müller in ihren Reihen, erzählt Seehofer. Damit blieb für ihn eigentlich nur noch Scheuer - andernfalls hätte er ihn wie Peter Ramsauer vor die Tür setzen müssen.

Rustikal in Trachtenjacke

Als dessen Staatssekretär agierte Scheuer im Hintergrund, nun muss er sich auf großer Bühne beweisen. Politik ist sein Geschäft, einen anderen Beruf hat er nie ausgeübt. Scheuer studierte Lehramt und politische Wissenschaft, seine Dissertation verfasste er zum Thema: "Die politische Kommunikation der CSU im System Bayerns".

Über seine Doktorarbeit wurde bereits diskutiert, als an Guttenberg noch keiner dachte. Scheuer promovierte an der Universität Prag in kurzer Zeit zum Dr. phil. - ein in Deutschland wissenschaftlich wenig anerkannter Titel. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn deshalb vorübergehend sogar wegen Titelmissbrauchs. Heute ist geklärt, dass Scheuer den Doktortitel in Deutschland mit Recht führen darf, auch wenn er sich inzwischen damit zurückhält.

Dobrindt wurde in seiner Anfangszeit als Schützenkönig verspottet. Auch Scheuer tritt gerne rustikal in Trachtenjacke auf, doch in der Auseinandersetzung mit dem Gegner will er nicht den Dobrindt geben. Neue Person, anderer Ton. Es fängt damit an, indem er den Krawallregler jetzt schon nach unten dreht: "Harte Argumente" werde er bringen, aber immer mit "gegenseitigem Respekt". Von Seehofer will er noch einiges lernen, etwa wie man "messerscharf" die politische Lage analysiert. Auf der Donau hatte er seine erste Unterrichtung, wenn man so will.

© SZ vom 17.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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