Coburg:Lebenslange Haft gefordert

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Die Angeklagte Andrea G. beschreibt ihr letzter Freund im Prozess als "liebes Mädel", ihre Mutter nennt sie eine "eiskalte Mörderin". (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Staatsanwalt hat keine Zweifel, dass es sich bei der Tötung der acht Babys um Mord handelt - aus niederem Beweggrund. Verteidiger spricht von Totschlag

Von Hans Holzhaider, Coburg

Ein "liebes Mädel" oder eine "eiskalte Mörderin"? Das eine - das "liebe Mädel" - hat ihr letzter Liebhaber über Andrea G. gesagt, das andere ihre eigene Mutter. Staatsanwalt Martin Dippold hält es mit der Mutter. "Ich bin überzeugt, dass sie eine Mörderin ist", sagt er in seinem Plädoyer vor der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Coburg, die drei Tage lang über einen Fall verhandelt hat, der nicht nur in Oberfranken Entsetzen ausgelöst hat. Andrea G. hat gestanden, im Zeitraum von 2003 bis 2014 acht Kinder unmittelbar nach der Geburt in Handtücher und Plastiktüten eingewickelt und in verschiedenen Behältnissen in ihrer Wohnung in Wallenfels versteckt zu haben. Mindestens vier dieser Neugeborenen waren nach den Erkenntnissen der Gerichtsmedizin lebensfähig. Wenn ein Kind nach der Geburt Lebenszeichen von sich gab, dann habe sie ihm so lange ein Handtuch auf Mund und Nase gedrückt, bis es tot war, hatte Andrea G. im Lauf der Ermittlungen gestanden. Die Frage, die das Gericht nun beantworten muss: War es Totschlag, mit einer Strafandrohung von höchstens 15 Jahren, oder war es Mord, mit der zwingenden Folge einer lebenslangen Freiheitsstrafe?

Für den Staatsanwalt gibt es keinen Zweifel: Es war Mord. Völlig unglaubwürdig sei es, dass Andrea G. ihre Schwangerschaften nicht bemerkt oder verdrängt habe und dann von den Geburten überrascht worden sei. Vielmehr habe sie keine Kinder mehr gewollt, um ihr bisheriges Leben ungehindert fortzuführen. Sie habe planmäßig und berechnend gehandelt. "Es war die einfachste und billigste Lösung für sie: Kind geboren, erstickt, aufgewischt, weggepackt, und weiter geht das Leben." Ein niedriger Beweggrund, deshalb Mord, und lebenslange Haft.

"Sie machen es sich zu einfach", hält Andrea G.'s Verteidiger Till Wagler dem Staatsanwalt vor. Die Tötung von Neugeborenen und auch die Verdrängung einer Schwangerschaft seien bekannte Phänomene in der Kriminalgeschichte und Andrea G. erfülle alle Voraussetzungen, die in solchen Fällen genannt würden: eine problematische Partnerbeziehung, eine wenig ausgeprägte Selbstwahrnehmung, die Tendenz, Probleme in sich hineinzufressen. Als ihr Ehemann bei der ersten Schwangerschaft mit wütender Ablehnung reagiert, "tut sie, was sie immer tat: nichts". Bis es dann zu spät ist und sie das Kind aus Angst und Hilflosigkeit tötet. Keinesfalls ein Mord, sagt der Verteidiger, ein Totschlag, und im Zweifel sogar im minder schweren Fall. Einen konkreten Strafantrag stellt er nicht.

Johann G., der Ehemann, hat sich nach Ansicht des Staatsanwalts der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht, weil er von den Schwangerschaften wusste und auch damit rechnete, dass Andrea G. die Kinder töten würde. "Er lebte elf Jahre auf engem Raum mit ihr zusammen. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass er nichts mitbekommen hat", sagt Dippold. Er fordert vier Jahre Haft. Johann G.'s Verteidiger Hilmar Lampert sieht dagegen keinen Beweis, dass sein Mandant von den Schwangerschaften und Geburten Kenntnis hatte. "Er hat nichts gewusst, und auch nichts geahnt." Johann G. müsse deshalb freigesprochen werden. Das Urteil soll am Mittwoch verkündet werden.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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