Chefwechsel:Der Unermüdliche tritt ab

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Seit vielen Jahren kämpfen Hubert Weiger (links) und Richard Mergner Seit an Seit für den Naturschutz. (Foto: picture alliance / dpa)

Hubert Weiger, der wohl mächtigste Naturschutzfunktionär in Bayern, gibt den Vorsitz des BN auf - den des BUND behält er. Noch vor zwei Jahren fühlte er sich unentbehrlich. Nachfolger soll sein Vertrauter Richard Mergner werden

Von Christian Sebald, München

Die Ankündigung las sich mäßig spannend. "Bund Naturschutz stellt Jahresschwerpunkte 2018 und Position zum Volksbegehren Flächenschutz in Bayern vor", lauteten die sperrigen Worte, mit denen der BN-Chef Hubert Weiger und der Landesbeauftragte Richard Mergner in ein Restaurant in Nürnberg zur Pressekonferenz einluden. Auf dem Termin selbst hatten Weiger und Mergner dann aber eine Neuigkeit parat, die keiner auf dem Schirm hatte, weder die BN-Mitglieder noch die Journalisten. Weiger, der wohl mächtigste Naturschutzfunktionär in Bayern, gibt Ende April die Führung des BN ab. Als Weigers Nachfolger ist Mergner, der zweitmächtigste Mann im BN, erkoren.

Mit 220 000 Mitgliedern, 76 Kreis- und 600 Ortsgruppen ist der BN nicht nur der größte Umweltverband in Bayern. Sondern auch der mächtigste. Das hat natürlich mit der Beharrlichkeit seiner vielen Tausend Aktiven zu tun, die überall in Bayern gegen neue Straßen, Gewerbegebiete und andere Naturfrevel eintreten. Und es liegt an dem starken hauptamtlichen Apparat in den BN-Büros in Nürnberg, München und Regensburg. Vor allem aber ist es Weigers Werk. Keiner verkörpert den BN so wie der gebürtiger Kaufbeurer, der im April 71 Jahre alt wird. Keiner ist so präsent wie er, in Behörden, Ministerien und der Öffentlichkeit. Als junger Zivildienstleistender trat der Forstwissenschaftler einst in den BN ein, seit 2002 führt er den Verband.

Weiger hat eine unbeugsame Haltung zu fast jedem Thema - ob das der Flächenfraß ist (muss gestoppt werden), Bayerns dritter Nationalpark (überfällig), die Energiewende (muss beschleunigt werden) oder der Ausbau der Öko-Landwirtschaft (kann nie genug sein). Es gibt Tage, an denen Weigers Mitarbeiter zwei oder drei Statements ihres Chefs verschicken. Auch an der Verbandsbasis ist keiner so präsent wie Weiger. Mit seinem Rollkoffer eilt er tagein, tagaus von Ortsgruppe zu Ortsgruppe. Eine solche Schlagzahl hatte nicht einmal Hubert Weinzierl, der große alte Mann des Naturschutzes in Bayern und Weigers Vorgänger an der BN-Spitze.

Weiger wollte ursprünglich schon 2016 aufhören, zumindest hatte er das lange angekündigt. Doch dann, als es ernst wurde, konnte er nicht von seinen Spitzenämtern lassen, weder im BN noch im Dachverband BUND, den er seit 2007 führt. Zu vieles sei unerreicht, klagte er, der Flächenfraß werde nicht ernsthaft bekämpft, ein dritter Nationalpark für Bayern sei in weiter Ferne, die Energiewende stehe auf der Kippe, die Bio-Bauern müssten mehr gefördert werden. Deshalb müsse er vier Jahre dranhängen. Natürlich erfüllten BN und BUND Weiger den Wunsch. Bei den Vorsitzendenwahlen holte er Traumergebnisse.

Womöglich hat sich Weiger damit aber doch zu viel zugemutet. Seit Monaten schon ist der BN-Chef in Bayern deutlich weniger präsent als bisher. Offiziell lautet die Begründung, dass ihn der BUND-Vorsitz so stark in Anspruch nimmt. Das trifft zweifellos zu, eine neue große Koalition will zum Beispiel alle Klimaschutzziele kassieren, die Weiger und Co. längst als unstrittig eingestuft haben. Und natürlich hat Weiger im Ringen um den Klimaschutz heftig mitgemischt. Aber das ist es nicht alleine. Schon vor der Bundestagswahl ließ Weiger immer mal wieder durchblicken, wie Kräfte zehrend beide Vorsitzendenämter sind. Schon allein wegen der permanenten Pendelei zwischen Nürnberg und Berlin. Wohl auch deshalb war am Montag das Verständnis groß, dass Weiger den BN-Vorsitz nun doch wieder vorzeitig abgibt.

Nun also Richard Mergner. Der Diplom-Geograf, 56, der während seines Studiums zum BN gestoßen ist, ist Weigers wohl engster Vertrauter und hat wie dieser eine klassische BN-Karriere durchlaufen. Seit 2002, seit Weiger den BN-Vorsitz übernommen hat, ist Mergner BN-Landesbeauftragter. Die Funktion ist eine Mischung aus Geschäftsführer und Generalsekretär und damit die Schnittstelle, an der die gesamte politische Arbeit im BN zusammenläuft. Außerdem gilt Mergner als einer der profiliertesten Verkehrsexperten in der Umweltszene. Es dürfte kaum einen zweiten Kandidaten geben, der ihm den Rang abläuft.

Andere sagen, Mergner müsse noch zulegen. Der Grund: Weiger ist schon von seiner Erscheinung und der Stimme her raumfüllend, er formuliert prägnant und volksnah, er reißt die Zuhörer mit. Mergner wirkt eher spröde, unnahbar. Der fachliche Diskurs liegt ihm mehr als eine feurige Rede vor Hunderten Demonstranten. Vom Charisma her, heißt es im BN, müsse Mergner also noch einiges lernen, wenn er einmal Weigers Fußstapfen ausfüllen will.

Und wie ist das nun mit dem Volksbegehren zum Flächenschutz in Bayern, um das es eigentlich auf der BN-Pressekonferenz gehen sollte? Der Verband wird die Initiative unterstützen. Das haben die Spitzengremien am Wochenende beschlossen. Zuvor hatte der BN lange gezaudert. Denn die Initiative stammt ja nicht vom BN. Sondern von den Grünen, der ÖDP und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Dabei ist die Entscheidung, ob es so ein Volksbegehren geben soll, doch eigentlich die Sache von Bayerns mächtigstem Naturschutzverband. So zumindest lautet die Selbsteinschätzung des BN, auch wenn sie es dort nicht offen sagen.

© SZ vom 06.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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