Brauchtum:31. Oktober: Thüringen feiert Reformationstag und Halloween

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Eine Frau höhlt einen Kürbis aus, in den ein gruseliges Gesicht geschnitzt ist. (Foto: Michael Reichel/dpa/Symbolbild)

Halloween wird oft als oberflächlich und kommerziell kritisiert. Alte, regionale Bräuche können ins Hintertreffen geraten. Volkskundler und Kirchenvertreter raten dennoch zu einem entspannten Umgang mit dem neuen Fest.

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Hohenfelden/Erfurt/Rothenstein-Oelknitz (dpa/th) - Während Halloween in Deutschland vor einigen Jahrzehnten noch weitgehend unbekannt gewesen ist, wird der „neue“ Brauch inzwischen auch in Thüringen gefeiert. „Halloween ist mittlerweile ein globales Phänomen, das nicht nur in den USA und ganz Europa, sondern auch in den asiatischen Industrienationen verbreitet ist“, sagt Juliane Stückrad, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle Thüringen.

Einerseits sei dieses Fest stark kommerzialisiert, von der Industrie gepusht und verdränge teils althergebrachte lokale Bräuche. Gleichzeitig habe es aber auch einige Vorteile und könne als Ergänzung gesehen werden, so Stückrad. Obwohl das Thema des Totengedenkens nur eine allenfalls untergeordnete Rolle spiele, gebe es durchaus ernste Motive: „Letztlich geht es dabei unter anderem um die „Wiederverzauberung der Welt““, so Stückrad. Ähnlich wie beim Karneval würden zudem menschliche Urängste angesprochen und humoristisch verkehrt.

Positiv seien zudem die kreativen Ideen, die etwa in Schulen und Kindergärten zu Bastelaktionen führten: vom gemeinsamen Kürbisschnitzen bis hin zu Dekoration und Kostümen. Gerade auf dem Land biete das Fest eine gute Möglichkeit, Nachbarn kennenzulernen und gemeinsam in der Gruppe etwas zu unternehmen, wenn Kinder bei Nachbarn klingelten, um nach Süßigkeiten zu fragen, so Stückrad.

Zudem gebe es gerade in Thüringen ähnliche Bräuche wie zu Halloween, die sich teils bis in die Ständegesellschaft des Mittelalters zurückverfolgen ließen, sagt Stückrad. Diese sogenannten Heische-Bräuche bezeichneten demnach ursprünglich wichtige gesellschaftliche Zeitpunkte wie Zahltage, die sich mit der gesellschaftlichen Veränderung in Kinder-Bräuche wandelten.

So sei es etwa in Jena am Andreastag, dem 30. November, noch bis in jüngste Zeit üblich gewesen, dass Kinder durch die Stadt gezogen seien und nach Süßigkeiten „gebettelt“ hätten. In Eisenach und Erfurt sei am 10. November traditionell das prinzipiell ähnliche „Märtseln“ verbreitet gewesen. Solche Bräuche würden mittlerweile von Halloween weitgehend verdrängt - zumindest vorübergehend, so Stückrads Einschätzung. „Solche Entwicklungen geschehen meist in Wellen, in Vergessenheit geratene Bräuche können auch wiederbelebt werden. Es ist spannend zu sehen, wie sich das entwickelt.“

Ein Beispiel hierfür ist Rothenstein-Oelknitz bei Jena: Dort versucht der Geschichts- und Heimatverein seit einigen Jahren, den Andreastag wieder in Erinnerung zu rufen, der in der Region zwischen Kahla, Jena und Maua bis vor der Wiedervereinigung sehr verbreitet war, wie Sprecherin Barbara Limpert erklärt. Der 30. November ist dem Apostel Andreas gewidmet. Mit dem Tag und der Nacht davor sind Bräuche verbunden.

Auch die Thüringer Kirchen sehen den Trend zu Halloween gelassen. „Es ist bereichernd, wenn Menschen zusammenkommen, Freude haben und miteinander Süßigkeiten und nette Worte teilen“, erklärt etwa Daniel Bertram, Referent im Seelsorgeamt des Bistums Erfurt. Kritisch sei jedoch die Kommerzialisierung zu sehen, die sich auch an anderen Festtagen feststellen ließe - vor allem, wenn der inhaltliche Kern dabei verdunkelt werde.

Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, sieht Halloween nicht als Konkurrenz. Auch in diesem Jahr würden vielerorts wieder die sogenannten Church Nights zum Reformationstag als „ureigener evangelischer Feiertag“ veranstaltet. Die Church Nights richten sich an Jugendliche und können Gottesdienste, Basteln, Filmabende oder andere Formate beinhalten.

Halloween stamme aus Irland, wo das Fest das Gedenken an Verstorbene und gleichzeitig die Zuwendung zu den Kindern umfasst habe, so Stückrad. Mit den irischen Auswanderern sei der Brauch in die USA gelangt und anfangs eher als Nachbarschaftsfest gefeiert worden. In den 1970er Jahren habe sich der heutige Schwerpunkt entwickelt - und unter anderem durch Horrorfilme Eingang in die Popkultur gefunden. Der Boom in Europa habe Mitte der 1990er Jahre in Frankreich begonnen, wo Unternehmen den Zeitpunkt als gute Einnahmequelle zwischen Sommer und Weihnachten für sich entdeckt hätten. Einige Jahre später sei der Trend schließlich auch in Deutschland angekommen.

© dpa-infocom, dpa:231029-99-744577/2

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